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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Minuten
vor, „überlegen Sie sich bitte, was Sie zu tun gedenken.“
    „Zu tun gedenken?“ wiederholte er. „Ich?“
    „Ja, Sie! Wollen Sie die Polizei
benachrichtigen, oder soll ich das erledigen? Wünschen Sie, daß ich Ihnen einen
Teil des gezahlten Honorares zurückzahle? Zwanzig Riesen, um zu Ihrem Sohn zu
gehen, seinen Tod festzustellen und Sie davon zu unterrichten... Sie könnten
den Eindruck gewinnen, bestohlen worden zu sein.“
    Er machte eine müde Handbewegung.
    „Behalten Sie’s... Und tun Sie, was getan werden
muß. Aber verhindern Sie das Schlimmste... den Skandal...“
    „Es wird keinen Skandal geben“, versprach ich
ihm. „Es war ein... Unfall.“
    Er runzelte die Stirn.
    „Sie scheinen daran zu zweifeln“, sagte er.
    „Nun, mir sind zwei oder drei Merkwürdigkeiten
aufgefallen.“
    Er wollte nicht wissen, was genau mir
aufgefallen war.
    „Lassen Sie’s gut sein, Burma“, sagte er barsch.
„Ich will keine Komplikationen. Ich dachte, Sie hätten das verstanden. Keine
Ermittlungen, keine Polizei. Der Tod meines Sohnes, das ist... das ist schon
mehr, als ich verkraften kann. Lassen wir’s damit gut sein.“
    Das sollte mir gut und recht sein.
    „Sie haben Ihren Sohn wohl sehr geliebt, nicht
wahr?“ fragte ich im Ton des falschen Trösters. „Er war Ihr Lieblingskind,
stimmt’s?“
    „Ja. Warum?“
    „Warum? Das werden Sie doch wohl besser wissen
als ich.“
    Er schlug mit der Faust auf seine Decken, als
wär’s ein Schreibtisch.
    „Ich frage Sie nicht nach den Motiven für meine
Vorlieben!“ versuchte er zu brüllen. „Ich möchte wissen, warum Sie diese Frage
stellen!“
    „Nur so. Um etwas zu sagen. Entschuldigen Sie,
daß mir nichts Intelligenteres eingefallen ist.“ Ich erhob mich. „Ich fahre
jetzt nach Paris zurück, um alles im Interesse aller zu erledigen. Sie,
Monsieur Flauvigny, haben mich hier nicht gesehen, verstanden? Und überzeugen
Sie auch Dr. Péricat davon. Wenn die Polizei nämlich erfährt, daß wir uns
gewissermaßen abgesprochen haben, könnte sie auf krumme Gedanken kommen.“
    „Gibt es denn einen Grund, auf krumme Gedanken
zu kommen?“
    „Nein.“
    Ich streckte ihm meine Hand hin.
    „Auf Wiedersehen, Monsieur. Unsere geschäftliche
Beziehung war leider nur von kurzer Dauer und...“
    Er übersah meine Hand.
    „Einen Moment noch, Burma... Wie... Wie lag er
da, neben seinem Bett?“
    „Tot, Monsieur. Ich möchte Sie nicht mit einer
detaillierten Beschreibung quälen.“
    „Ich bin erledigt, was?“ krächzte er. „Das
wollen Sie doch damit sagen, oder? Ich kann nichts mehr verkraften, hm?“
    „Ich will gar nichts damit sagen“, widersprach
ich und sah ihn vielsagend an. „Rufen Sie den Doktor zu sich. Er kann Ihnen
mehr nützen als ich. Mein Geschwätz regt Sie nur auf und erschöpft Sie. Auf
Wiedersehen, Monsieur. Sollte sich etwas Neues ergeben..
    Ich ließ den Satz in der Schwebe.
    „Was sollte sich denn ergeben?“ fragte der Alte.
    Ich schlug mir gegen die Stirn.
    „Stimmt, ich bin blöd! Ich dachte nur, da ich
alles in die Wege geleitet habe, um mich in den Club Antinéa einführen
zu lassen, werde ich auch hingehen. Man soll Kenntnisse sammeln, wenn sich die
Gelegenheit dazu ergibt. Und außerdem“, fügte ich hinzu, „ob Unfall oder nicht,
jemand ist für den Tod Ihres Sohnes verantwortlich. Diejenigen nämlich, die ihn
mit Rauschgift in Berührung gebracht haben. Ohne die Droge...“
    Ich hob die Schultern. Keine Ahnung, woher ich
den verächtlichen Tonfall hernahm, aber als verächtlicher Tonfall war er nicht
zu verachten. Ich ging aufs Ganze, auch wenn der Alte dabei draufgehen sollte.
    „Ich denke auch an Ihren Ruf, Monsieur“, fuhr
ich fort, „an Ihren Ruf als harter Bursche. Hart sind Sie allerdings nur armen
Leuten gegenüber. Ich weiß, wie Sie Ihre Arbeiter bezahlen, Monsieur! Hab
früher mal bei Ihnen in den Tréfileries de la Seine gearbeitet... Wenn
man Ihnen aber ein paar Ihrer Fabriken wegnimmt und verstaatlicht, bleibt
nichts mehr von dem harten Burschen übrig. Und man kann auch mit Ihrem Sohn
spielen, bis er tot ist. Das läßt Sie nicht kalt, aber Sie sind völlig von der
harten Rolle. Ich dachte nämlich auch, Sie wollten Rolands Tod rächen, Sie
wären’s leid, daß man Ihnen auf der Nase rumtanzt, Sie wollten zeigen, daß man
nicht ungestraft einem Flauvigny an die Karre pinkelt... Aber jetzt denke ich,
daß Sie recht haben: Sie sind erledigt, Sie verkraften nichts mehr, Sie lassen
sich alles bieten.

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