Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
Sie sehen, Monsieur, wenn ich erst mal anfange zu denken,
höre ich nicht mehr auf.“
    Plötzlich verfärbten sich die Wangen des
Kranken. Es war wie die Liebkosung einer Welle, die über den glühendheißen Sand
eines sonnengeplagten Strandes leckt. Sogleich wich die Farbe wieder aus seinem
Gesicht, aber seine Augen blitzten. Kummer, Verschlagenheit und Wut flammten in
ihnen auf. Ich glaubte, er würde aufspringen und mich beißen. Doch dann
lächelte er mich nur an. Ein grauenhaftes Lächeln, das mich allerdings freute.
Mir schien, als verwandle sich das Bett aus dem Hause Du Barry in einen
Schreibtisch samt grüner Schreibunterlage und Akten. Und Flauvigny, der
erbarmungslose Gérard Flauvigny, riß sich hier eine Fabrik, dort ein
Aktienpaket unter den Nagel, wobei er seinen Konkurrenten nicht das Schwarze
darunter und seinen Arbeitern nicht die Butter auf dem Brot gönnte. Vor meinen
Augen verwandelte sich der schwache Greis wieder in einen reißenden Wolf — und
das war für den kleinen Nestor mit der Lammfelljacke vielleicht gar nicht so
schlecht.
    „Verdammt nochmal, Burma!“ zischte er. „Raus mit
der Sprache! Wenn Sie schon mal angefangen haben zu denken... Was würden Sie an
meiner Stelle tun?“
    „Roland hat sich das Rauschgift im Antinéa beschafft. An Ihrer Stelle würde ich einen Privatdetektiv — da Sie schon mal
einen an der Hand haben — zu den Arabern schicken, um sich da ein wenig
umzusehen und die Bande hier und da ein wenig zu piesacken. Das wäre der
schönste Kranz, den ein Vater auf den Sarg seines Sohnes legen könnte. Die
beste Art, sein Andenken in Ehren zu halten.“
    Er wägte das Für und Wider meines Vorschlags so
lange ab, wie es die Idee verdiente. Dann musterte er mich durch die engen
Schlitze seiner halbgeschlossenen Lider und stieß hervor: „Abenteuerlust, wie?“
    „Große, ja.“
    „Und imstande, sich auf den Tanz einzulassen, nur
so, aus Spaß an der Freude?“
    Ich gab keine Antwort. Spaß an der Freude? Davon
konnte wirklich keine Rede sein.
    Flauvigny ließ sich in die Kissen zurücksinken
und schloß wieder die Augen. Er schwieg eine Weile, um nachzudenken und frische
Kräfte zu sammeln. Dann schien er zu einem Entschluß gekommen zu sein.
    „Da die Dinge nun mal so liegen“, flüsterte er,
„arbeiten Sie weiterhin für mich! So kann ich wenigstens sicher sein, daß Sie
nichts unternehmen, was mir schaden könnte.“
    Er hob seine bleischweren Lider.
    „Ich bin härter, als Sie glauben, Burma.“
    Seine Lippen verzogen sich zu einem boshaften
Grinsen. „Wenn Sie bei mir gearbeitet haben, werden Sie’s wissen... Ich hatte
bereits eine ähnliche Idee, war mir jedoch nicht sicher, wie ich die Polizei
aus dem Spiel lassen könnte...“
    „Zum Teufel mit den Polypen!“ rief ich. „Würde
ich mir so was ausdenken, wenn man sie nicht links liegenlassen könnte? Es geht
nicht darum, die Gangster vors Gericht zu bringen. Zahlen sollen sie, auf die
eine oder andere Art, für das Leid, das sie Ihnen zugefügt haben. So was macht
man unter sich aus, sozusagen im Kreise der Familie!“
    „Sehr gut“, stimmte er mir zu. „Und das alles
aus Spaß an der Freude?“
    „Ach, wissen Sie! Spaß, Freude... Ich werde
Ihnen eine Rechnung schreiben... müssen
    Flauvigny brach in ein schauerliches Lachen aus,
kurz, höchst unangenehm, und wies auf seinen Mahagonischreibtisch. Auf die
stumme Einladung hin näherte ich mich dem Möbelstück.
    „Rechte Schublade“, sagte mein Auftraggeber.
    Für einen Detektiv war es eine sehr
verführerische Schreibtischschublade. Außer einigem Papierkram enthielt sie
eine Brieftasche und einen großkalibrigen Revolver mit Schalldämpfer. Ich weiß
nicht, ob die Waffe geladen war. Die Brieftasche jedenfalls sah dick und rund
und somit gut gefüllt aus. Und das war das einzige, wofür ich mich im
Augenblick interessierte. Auf Flauvignys Anweisung hin gab ich sie ihm. Er
fischte Banknoten im Werte von rund dreißigtausend Francs heraus und gab sie
mir mit der Bitte, ordentlich aufzuräumen (bei den Arabern) und keine Mühen zu
scheuen: Es gebe noch mehr davon (von den Scheinen), wenn ich den Auftrag zu
seiner Zufriedenheit ausführen würde. Ich ließ das Geld in meine Tasche
gleiten. Dieses Haus wurde immer attraktiver, je häufiger man es besuchte.
    „Ich muß den Arabern so richtig Dampf machen
können“, sagte ich, um zu rechtfertigen, warum ich gleich zu Anfang von Geld
gesprochen hatte.
    Doch Flauvigny verlangte überhaupt

Weitere Kostenlose Bücher