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Ein toter Lehrer / Roman

Ein toter Lehrer / Roman

Titel: Ein toter Lehrer / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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Aber sie haben sich in meine Aktentasche …
    Entleert, ich weiß. Ja, Mr. Szajkowski, das erwähnten Sie bereits. Na und?
    Samuel bereute, dass er sich gesetzt hatte, das sah ich genau. Der Direktor ist sowieso schon ziemlich groß, und da, so direkt vor ihm, wirkte er noch größer und bedrohlicher.
    Na und?, sagte Travis noch einmal. Was erwarten Sie denn von mir? Soll ich die Missetäter etwa zu mir zitieren, damit sie sich bei Ihnen entschuldigen und versprechen, in Zukunft fein brav zu sein? Vielleicht hätten Sie es gern, Mr. Szajkowski, dass ich sie bitte, nicht mehr auf Ihnen herumzuhacken. Sie glauben vielleicht, das würde helfen.
    Nein, sagte Samuel. Natürlich nicht. Es wird nicht nötig sein, dass Sie …
    Oder vielleicht, Mr. Szajkowski – und hier mein Vorschlag für Sie –, vielleicht könnten Sie einen Augenblick über Ihre Funktion als Angestellter dieser Lehranstalt nachdenken. Sie sind Lehrer, Mr. Szajkowski. Ich habe Sie schon einmal an diese Tatsache erinnert, aber vielleicht haben Sie es ja wieder vergessen. Sie sind Lehrer, und das bedeutet, Sie unterrichten, geben den Ton an und sorgen für Ruhe und Ordnung. Sie sorgen für Ruhe und Ordnung, Mr. Szajkowski. Sie setzen Disziplin durch. Sie lassen sich nicht von einem Fünfzehnjährigen einschüchtern, der in zwölf Monaten entweder Schlange stehen wird, um sein Arbeitslosengeld abzuholen, oder das anderer Leute stehlen wird. Sehen Sie mich doch nicht so entgeistert an, Mr. Szajkowski. Sie nennen zwar keine Namen, aber das brauchen Sie auch nicht. Ich sehe alles, was in dieser Einrichtung vor sich geht. Ich bin allwissend. Donovan Stanley ist ein Taugenichts. Er wird nur noch ein paar Monate bei uns sein. Und in dieser Zeit werde ich weder Zeit noch Aufmerksamkeit oder finanzielle Mittel auf so etwas wie die
Scheiße
dieses Bengels verschwenden.
    Und dann ging er, ohne Samuel oder mich noch eines Blickes zu würdigen.
    Und ich stand da. Ich hielt einen Teelöffel in der Hand und stand einfach nur da. Ich sah Samuel an, beobachtete ihn. Ich hatte das Gefühl, ich müsste etwas sagen, aber ich wusste nicht, was. Was sollte ich da schon sagen?
    Ich sagte schließlich nichts. Samuel ließ mir keine Gelegenheit. Er stand auf, nahm seine Tasche und packte seine Bücher weg. Dann ging er schnurstracks zur Tür und war weg, ohne mich auch nur anzusehen.
    Und das war’s, Detective. Das war’s, und nichts hat sich geändert. Ich meine, ich bin davon ausgegangen, dass Travis irgendetwas unternimmt. Ich habe mir gesagt, dass seine kleine Ansprache nur zu Samuels Bestem war. Sie wissen schon, der Hauptfeldwebel macht einem seiner Soldaten Feuer unter dem Hintern. Aber er unternahm wirklich nichts. Er hatte das ernst gemeint. Er tat nichts, und es hat sich nichts geändert.
    Nein, das stimmt so nicht. Es hat sich etwas geändert. Es wurde noch schlimmer. Das hätte ich zwar die ganze Zeit nicht für möglich gehalten, aber es war möglich, ganz eindeutig. Sie haben von dem Fußballspiel gehört, oder?

S ie nehmen mich auf den Arm. Ja klar, dieser Bericht ist nicht ernst gemeint.«
    Sie sagte nichts. Bis jetzt hatte sie geschwiegen.
    »Na los, Lucia. Erlösen Sie mich. Zeigen Sie mir endlich den richtigen. Der hier ist echt lustig, ein echter Schenkelklopfer, aber geben Sie mir jetzt den richtigen Bericht, in dem das drinsteht, was für uns alle das Beste ist.«
    Sie hätte es tun können. Der Chief Inspector konnte das zwar nicht wissen, aber sie hätte es tun können. Der andere Bericht war zu Hause, im Papierkorb ihres Computers. Er lag ausgedruckt am Rand ihres Schreibtischs, zum Schreddern verurteilt, aber noch heil. Sie hatte ihn auf dem Speicherstick in ihrer Tasche.
    »Sie wissen, welchen ich meine. Den, in dem steht, dass das Ganze ein tragischer Unglücksfall war, dass Szajkowski ein Spinner war und dass Waffen eine Bedrohung für die Allgemeinheit darstellen.«
    Sie schlug ein Bein über das andere, seufzte. Dann überschlug sie das andere Bein.
    »In dem vielleicht irgendwas über die Sozialeinrichtungen steht, was die hätten tun sollen, können oder müssen.«
    Sie blieb still, obwohl es ihr nicht leichtfiel.
    »Den, der mich nicht mein Ansehen kosten wird. Und Sie nicht Ihren Job.«
    Auf seiner Schulter saß eine Fliege. Sie wusste, dass er es nicht merkte, aber sie war da.
    »Ich werde Ihnen einen Gefallen tun, Lucia.« Er nahm ihre Mappe und hielt sie hoch. Die Fliege flog auf, und die Mappe folgte ihr und landete in hohem Bogen

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