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Ein toter Lehrer / Roman

Ein toter Lehrer / Roman

Titel: Ein toter Lehrer / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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im Papierkorb. »Sie sind früh dran. Das ist Ihr Glück. Ich hatte Ihnen ja bis zum Mittag Zeit gegeben, falls Sie sich erinnern. Ich brauche den Bericht jetzt doch erst später.«
    »Aber jetzt haben Sie ihn.«
    »Meine Lippen jucken, Lucia. Mein ganzer Kiefer kribbelt. Als ob ich schlechtes Wetter vorhersehen könnte, wissen Sie, wie die im Film immer mit ihren Hüften. Bloß dass es nicht nur schlechtes Wetter ist, sondern eine geballte Ladung Scheiße. Ich sage es Ihnen: Auf uns kommt eine geballte Ladung Scheiße zu.«
    »Zahnpasta«, sagte Lucia.
    »Was?«
    »Versuchen Sie es mal mit Zahnpasta. Auf Ihre Herpesbläschen. Das hab ich irgendwo gelesen.«
    »Was für Zahnpasta?«
    »Weiß ich nicht. Das stand nicht dabei.«
    »Aber es gibt Hunderte Sorten.«
    »Stimmt. Jetzt wo Sie es sagen. Aber davon stand da nichts.«
    »Ich benutze bleichende Zahnpasta. Meine Frau kauft die immer.«
    »Die würde ich lieber nicht nehmen. Oder vielleicht doch. Darüber stand da nichts.«
    Der Chief Inspector beobachtete Lucia einen Moment. Obwohl er sie nicht aus den Augen ließ, wanderten seine Finger über den Schreibtisch. Sie fanden, wonach sie gesucht hatten, und Cole unterbrach den Blickkontakt gerade lange genug, um etwas auf ein Zettelchen zu kritzeln. Er faltete es und steckte es in seine Brusttasche.
    »Ich bitte Sie, lassen Sie mich mit ihnen reden«, sagte Lucia. »Das bringt uns nicht in Gefahr. Der Bericht muss ja nicht rausgehen, wenn wir beschließen, dass es besser so ist.«
    »Lucia. Um drei Uhr muss ich meine Ergebnisse vorlegen. Das ist in … sechs Stunden. Fünfeinhalb. Der Superintendent wird da sein. Der Polizeichef. Vielleicht kommt sogar der Innenminister vorbei. Glauben Sie mir: Und ob es uns in Gefahr bringt.«
    »Dann sagen Sie denen eben, es hat eine Verzögerung gegeben. Oder sagen Sie gar nichts. Halten Sie sie hin.«
    Der Chief Inspector grinste. Dann zuckte er zusammen und berührte mit den Fingerspitzen seinen Kiefer. Er sah Lucia an, als wäre sie die Ursache seiner Schmerzen. »Ich soll also den Innenminister hinhalten.«
    Lucia zuckte mit den Schultern. »Nur so lange, bis ich mit der Staatsanwaltschaft gesprochen habe. Ihnen die Beweise gezeigt habe. Bis ich sie davon überzeugt habe, dass wir diesen Fall weiterverfolgen müssen.«
    Cole lachte, versuchte aber diesmal, den Mund nicht zu verziehen. »Welche Beweise, Detective? Was für einen Fall?«
    »Sie haben die Abschriften der Befragungen gesehen. Sie haben gelesen, was diese Leute erzählt haben. Grant, der Wirtschaftslehrer. Die Sekretärin – die Sekretärin des Direktors. Die Schüler. Sie wissen, was bei dem Fußballspiel vorgefallen ist.«
    Cole zerrte an seiner Krawatte, obwohl sie schon lose war. Er beugte sich vor und stützte sich auf die Ellbogen, ein Sonnenstrahl traf wie ein Speer seine Augen. »Machen Sie die verdammte Jalousie zu«, sagte er.
    Lucia ging zum Fenster und tat, wie ihr geheißen. Auf den Schreibtisch des Chief Inspector legte sich Schatten.
    »Diese verfluchte Sonne. Diese verfluchte Hitze. Solche Sachen passieren immer nur, wenn es heiß ist. Wir kommen einfach nicht damit klar. Dieses Land. Wenn es schneit, frieren wir ein. Wenn es heiß ist, kochen wir über.«
    »Lassen Sie mich einfach mal mit ihnen reden. Ich will nur hören, was sie dazu sagen.«
    »Das wissen Sie doch genau, Detective. Ich kann es Ihnen verraten. Sie werden sagen, der Fall existiert nicht. Es fehlen die Beweise. Sie werden sagen, sie setzen nicht ihren Ruf, ihre Karriere und ihr Gewissen aufs Spiel, indem sie Anklage gegen eine Schule erheben.«
    »Das wissen Sie doch gar nicht.«
    »Oh doch, Detective. Und ob ich das weiß. Wie lange arbeiten Sie jetzt in diesem Department? Achtzehn Monate? Ich bin seit achtzehn Jahren hier. Erzählen Sie mir also nicht, was ich weiß und was nicht.«
    Lucia merkte, dass sie den Speicherstick in ihrer Tasche umklammerte. Sie ließ ihn los und zog die Hand heraus. »Die Schule hätte etwas dagegen unternehmen können«, entgegnete sie. »Die Schule hätte etwas unternehmen müssen.«
    »Die Schule ist das Opfer, Lucia. Die Schule, das sind drei tote Kinder und eine tote Lehrerin. Die Schule sind trauernde Eltern auf Seite eins bis zwölf der
Mail.
Die Schule – und das ist jetzt ziemlich wichtig, vielleicht möchten Sie es sich notieren –, das ist die Regierung, verdammt noch mal.«
    »Die Schule ist ein Arbeitgeber. Nicht mehr und nicht weniger. Sie ist verantwortlich. Die Schule trägt die

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