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Ein toter Lehrer / Roman

Ein toter Lehrer / Roman

Titel: Ein toter Lehrer / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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Dad, auf den Rücken und die Arme, aber mein Dad hat ihn einfach nur gedrückt. Ich hab zugeguckt. Irgendwann ist das Feuer dann ausgegangen, und Samuel hat nicht mehr gehauen, nur geweint hat er immer noch. Er und Dad standen einfach nur da. Und überall war Rauch. Ganz viel Rauch.
    Nachdem Dad gestorben war, sind wir weggebracht worden. Sie haben uns zu Hause weggeholt, und ich dachte, wir kämen noch mal zurück, aber als wir einmal weg waren, war’s das. Ich hatte so eine Halskette, die war von meiner Mum. Die hatte ich dagelassen, und sie haben mir gesagt, sie würden sie noch holen, haben sie aber nicht. Um die Halskette hab ich geweint. Fast so sehr wie um meine Mum, was ja eigentlich ziemlich blöd ist, würde Annie jedenfalls sagen, wenn ich es ihr erzählen würde. Wenn ich jetzt weine, dann um Mum oder um Dad, nicht mehr um die Halskette. Ich weine auch nicht mehr so viel wie früher. Ich hab ja Annie, und die ist wie eine Mum. Und ich hab auch Ketten, andere Halsketten, aber keine so schöne wie die von meiner Mum.
    Sam und ich, wir sind dann in dasselbe Heim gekommen, aber geschlafen haben wir in unterschiedlichen Räumen. Er bei den Jungs und ich bei den Mädchen. Wir waren also zusammen, aber es fühlte sich trotzdem nicht so an. Wir haben kaum miteinander geredet. Ich glaube nicht, dass Sam überhaupt mit irgendwem groß geredet hat, wenn er irgendwie drum rumkam. Deswegen hat er auch immer Ärger gekriegt. Darum mussten wir da weg. Eigentlich sollte nur Sam woandershin, das wäre zu seinem Besten, haben sie gesagt, aber weil er mein Bruder war, musste ich mit. Ich wollte gar nicht. Schickt Sam woandershin, hab ich ihnen gesagt, nicht mich. Bloß weil er mein Bruder ist. Bloß weil er sich nicht durchsetzen kann. Aber wir kamen beide woandershin.
    Im nächsten Heim war’s dasselbe in Grün. In jedem Heim. Sam saß da und hat gelesen, und Sam hat sich dauernd irgendwelchen Ärger eingebrockt. Er hat es kaputt gemacht. Alles hat er kaputt gemacht. Ich hab Freunde gefunden, aber wegen Sam mussten wir immer irgendwann wieder weg. Einmal hab ich ihm das gesagt, warum musst du immer alles kaputt machen, hab ich ihn gefragt, warum kannst du nicht normal sein, und da hat er mich einfältig genannt und gesagt, ich wäre zurückgeblieben, und dass ich ja wohl diejenige bin, die nicht normal ist. Da hab ich ihn gehauen und er mich zurück. Er war ein ganz schöner Hitzkopf. Meistens hat er das nicht so gezeigt, aber vor mir schon. In einem Heim, da haben die uns so Puppen gegeben. So aus Gummi, und die konnte man biegen und verdrehen und versuchen durchzubrechen, aber sie gingen nicht kaputt. Sie haben uns gesagt, wir sollen unsere Wut und unseren Ärger an denen auslassen, aber Sam hat seine nie benutzt. Sam hat alles an mir ausgelassen.
    Wollen Sie wissen, was er einmal gemacht hat? Er hat mich mit dem Kopf an die Wand geknallt, an eine Kante. Das war im dritten Heim, wo wir waren. Wir waren in meinem Zimmer, und ich weiß nicht mehr, warum, aber wir haben uns gestritten. Er hat mich wieder einfältig genannt und gesagt, er versteht nicht, wie es mir hier gefallen kann, in diesem Heim. Und ich hab ihn gefragt, was denn hier so schlecht ist, wenigstens ist es ein Zuhause, nicht irgendein fremder Ort, wo wir hinkommen. Und da hat er gesagt, was redest du denn da, hör auf mit dem Blödsinn, wenn du nur Blödsinn reden kannst, dann mach den Mund lieber gar nicht auf. Und ich hab gesagt, das ist kein Blödsinn, das ist Sinn. Ich hab gesagt, dass es mir hier einfach gefällt und dass ich nicht wieder wegwill und mir wünsche, dass er ein einziges Mal nicht alles kaputt macht. Weil er sich nämlich schon Ärger eingehandelt hatte und wir schon dachten, wir müssen umziehen, was auch der Grund war, weshalb wir uns in meinem Zimmer gestritten haben, fällt mir jetzt wieder ein. Und ich hab nur geredet, nichts weiter, aber Sam hat auf einmal beschlossen, mich zu hauen. Da hab ich natürlich zurückgehauen, und dann hat er mich wieder gehauen, und dann haben wir uns gekloppt und aneinander rumgezerrt und sind umgefallen und haben gerungen wie die im Fernsehen, und dann weiß ich gar nichts mehr. Als ich wieder aufgewacht bin, hab ich in einem Bett gelegen, und einer von den Heimerziehern hat auf mich runtergeguckt. Er hat mir irgendwas auf den Kopf gedrückt, und es tat weh. Außerdem wusste ich, dass wir jetzt auf jeden Fall da wegmüssen, und das hat fast genauso sehr weh getan.
    Ich hab noch eine Narbe davon. Es

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