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Ein toter Taucher nimmt kein Gold

Ein toter Taucher nimmt kein Gold

Titel: Ein toter Taucher nimmt kein Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beten.
    »Zwei Millionen«, sagte Faerber unter der Decke.
    »Heilige Mutter Gottes, bete für den Armen …«, stammelte Anna Maria.
    Hans Faerber schob mit ungeheurer Anstrengung die Decke von seinem Gesicht.
    »Ich mache euch zu den reichsten Menschen von Mexiko! Bringt mich sofort in die Stadt …«
    »… und vergib uns unsere Sünden«, betete Anna Maria.
    Manuel Torques trank die Suppe aus und wischte sich über den Mund.
    »Armes Herrchen«, sagte er traurig. »Sei still. Fange nicht an zu toben. Es ist schlimm, wenn man verrückt ist. Man wird sogar eingesperrt, wie José, der wurde auch verrückt, weil er zuviel soff, und dann lief er herum und wollte alle Leute beißen. Sei still, Herrchen! Das Meer hat dich vernichtet. Man kann's nicht mehr ändern …«
    »Fünf Millionen!« schrie Faerber mit letzter Kraft.
    Manuel Torques seufzte tief, schlug Faerber dann unters Kinn und in eine neue Bewußtlosigkeit.
    »Es ist besser so für ihn«, sagte er zu Anna Maria. »So ein Mensch ist glücklich dran, wenn er schläft …«
    Manuel Torques verbrachte eine unruhige Nacht. Noch fünfmal mußte er den fremden Weißen mit einem gezielten Schlag gegen das Kinn beruhigen. Er tat es jedesmal mit einem tiefen, traurigen Seufzen, entschuldigte sich vorher bei Faerber, indem er sagte: »Señor, ich bin kein Arzt, es ist für uns alle die einzige Möglichkeit, zusammenleben zu können, wenn der eine verrückt ist und der andere normal …«, und ließ dann Faerber wieder ohnmächtig vor den Herd sinken.
    Nach dem sechsten Betäubungsschlag kamen Anna Maria Bedenken. »Vielleicht sollte man ihn anhören?« sagte sie. »Manuel, es gibt Dinge, die man nicht mit Netzen fangen kann. Und mehr hast du nicht gelernt.«
    So kam es, daß gegen Morgen Hans Faerber endlich zum Sprechen kam. Manuel Torques erfrischte ihn mit einem süßlichen, aber eiskalten Kakteensaft und wusch ihm noch einmal den Kopf, da die Wunden wieder zu bluten begannen. Anna Maria flößte Faerber eine neue Suppe ein, diesmal einen wäßrigen Fischbrei, der abscheulich stank. Gehorsam schluckte Faerber alles hinunter, froh, nicht wieder niedergeschlagen zu werden.
    »Hast du ein Maultier?« fragte er endlich, als er kräftig genug war, sich gegen einen eventuellen Angriff wehren zu können.
    »Einen alten, halbblinden Esel!« Manuel hob die Schultern. »Wir sind froh, daß er so wenig frißt, aber er kann noch Netze schleppen.«
    »Kann er mich nach Xcalak bringen?«
    »Er fängt schon wieder an!« schrie Torques. »Anna Maria, einen Knüppel. Mit der Faust schaffe ich es nicht mehr!«
    Es dauerte eine Stunde, bis Faerber erklärt hatte, warum er an Land gespült worden war. Dann saß Torques sprachlos neben dem Herd, starrte den Weißen an und sagte nach langer Zeit des Nachdenkens: »Von der Chinchorro-Bank bis zur Küste? Durch die Haie? Durch den Sturm? Und er lebt! Heilige Mutter, ein Wunder ist in meine Hütte gekommen! Ich werde bis zum Ende meiner Tage gesegnet sein …«
    »Du wirst ein Millionär sein, wenn du mir deinen Maulesel gibst …«
    »Einen Knüppel, Anna Maria!« stöhnte Torques. »Ich glaube ihm kein Wort! Er lügt so schamlos, wie ich arm bin, und das ist allerhand!«
    Eine Stunde später ritten sie los. Das alte Maultier, wirklich ein knöcherner, halbblinder Geselle, aber gutmütig und für sein Alter erstaunlich stark, trug sie beide auf dem zotteligen Rücken: Torques saß vorne am Hals, Faerber dahinter. Es gab keinen Sattel, sie klemmten sich einfach auf den nackten Rücken. Als Zügel diente ein dicker Hanfstrick, der mit einem Stück Eisenstange im Maul des Tieres lag. Mit lauten Rufen und Tritten in die Flanken trieb Torques den Alten an, und manchmal sprach er auch zu ihm wie zu einem Menschen, nannte das Maultier »Mein lieber Genosse« oder sagte zu ihm: »Nun stolpere nicht, du zahnloser Esel. Hörst du, du mußt uns nach Xcalak bringen. Das ist etwas anderes als Netze einholen! Wir kommen in die Stadt, mein Alterchen! In die Stadt! Wann waren wir zum letztenmal in der Stadt? Vor sieben Jahren? Oder sind's schon zehn? Was macht auch ein armer Fischer wie ich zwischen den hohen Häusern? Lauf, Genosse, lauf …«
    »Wie lange noch?« fragte Faerber.
    Er schwankte hin und her und hielt sich an Torques' Hüften fest.
    Neben ihnen, gleich am Rande des Uferpfades, dampfte der Dschungel. Eine höllische, feuchtheiße Hitze lag über ihnen. Das Atmen war zur Qual geworden. Aus den Poren brach der Schweiß. Ihre Herzen hämmerten

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