Ein toter Taucher nimmt kein Gold
betrogen! Sie haben ihn in den Tod gejagt auf die gemeinste Art: mit dem Lockmittel des Ehrgefühls! Sie elender Lump! Geben Sie doch zu, daß Sie Hans betrogen haben!«
Chagrin starrte Ellen eine Weile stumm an, dann schüttelte er langsam den Kopf.
»Bedaure, Ellen, ich kann Ihnen den Gefallen nicht tun«, sagte er langsam. »Auf so einen Gedanken wäre selbst ich nicht gekommen – nicht in dieser verdammten Situation! Denken Sie von mir, was Sie wollen – aber ich will auch weiterleben, und das hängt jetzt ganz allein von Hans ab. Von seiner Kraft – und von seinem Glück!«
Er ging unter Deck und streichelte im Vorbeigehen Pascale über das Gesicht. Sie schlug seine Hand weg und spuckte nach ihm.
Nach zehn Minuten war Chagrin wieder an Deck. Er rieb sich die Hände und machte den Eindruck, als könne er die für immer versunkenen Millionen doch noch vom Meeresboden holen.
»Wir haben noch zweihundertvierzig Liter Benzin im Tank«, sagte er. »Das ist viel zuwenig für die Strecke, die vor uns liegt. Aber wir können damit Hans ein Stück entgegenfahren – und vor allem Verwirrung unter unseren Belagerern auslösen.« Er blickte über das Meer, das noch immer unruhig war und lange Wellen gegen das Schiff spülte. »Zuerst hinaus zur Chinchorro-Bank, dann scharf nach Süden, so weit wir kommen. Mädchen, es wird eine Schießerei geben! Benehmt euch wie Männer!«
»Das brauchen Sie uns nicht zu sagen!« antwortete Ellen.
»Ihnen nicht, Ellen! Ich weiß. Sie ersetzen drei Männer!«
»Dann meinst du mich?« Pascale lehnte an der Wand zum Ruderhaus. Sie trug ein Schnellfeuergewehr in der Hand und im Gürtel zwei Pistolen. »Ich habe tagelang Zielen geübt … Auf deinen Körper! Ich habe jetzt eine ruhige Hand!«
Chagrin verzog sein Gesicht und setzte sich auf den Steuersitz. Er drehte an ein paar Schaltern. Im Inneren des Schiffes begann ein Rumoren und Stampfen, ein lange vermißtes Geräusch. Die Motoren liefen.
»Die Anker hoch, Ellen!« rief er durch das offene Fenster des Ruderhauses. »Und wenn die Boote nahe genug sind, feuert ihr! Denkt daran, es geht um unser Leben!«
Ellen winkte zum Zeichen, daß sie verstanden hatte. Dann rasselte die Ankerwinde, und aus dem Meer tauchte langsam der schwere eiserne Anker auf. Pascale hockte auf dem Dach des Ruderhauses und beobachtete die Boote der Piraten.
»Anker hoch!« schrie Ellen. Chagrin warf einen Hebel herum.
»Lebt wohl, Millionen!« brüllte er.
»Adieu, Peter …«, sagte Ellen leise und blickte ins Meer, wo tief unter einem Gebirge von Sand die Leiche von Peter Damms in einem zusammengedrückten Schiff lag.
Die Nuestra Señora schoß vorwärts, fuhr einen knappen Bogen und rauschte mit Vollgas auf die Chinchorro-Bank zu.
In Boot 4 sprang Pedro vom Sitz und warf beide Arme in die flimmernde Luft. Neben ihm schrie Paulus in das Walky-Talky.
»Alle Boote ihm nach! Alle Boote volle Kraft!«
»Sie hauen ab!« brüllte Pedro und raufte sich die Haare. »Sie hauen ab! Vollgas, ihr Idioten!«
Dann klammerte er sich irgendwo fest, denn sein Boot machte einen Satz nach vorn und flog über die Wellen, als habe es keine Wasserschraube, sondern unsichtbare Flügel, die es trugen.
Das Wettrennen auf Leben und Tod begann.
Manuel Torques mit seinem torkelnden Gast im Rücken erreichte die kleine Stadt Xcalak am frühen Nachmittag. Pepito, das alte Maultier, hatte den Weg nicht ohne drei Erholungspausen geschafft. Es hatte sich beim drittenmal sogar hingelegt und die Augen verdreht, als wolle es sterben.
»Ich kenne das!« sagte Torques gemütlich. »Jetzt will der alte Bursche Schnaps haben! Señor, ich sage Ihnen, der Schuft säuft mich noch arm. Aber ich brauche ihn!«
Er holte aus der Tasche eine flache Blechflasche, schraubte sie auf, setzte sie Pepito an die dicken Lippen, und das Maultier nahm einen kräftigen Schluck des Kakteenschnapses. Danach sprang es wieder auf, gab so etwas wie ein wieherndes Grunzen von sich, hob den Schwanz und furzte.
»So«, sagte Torques zufrieden. »Jetzt können wir weiter! Pepito fühlt sich wohl! Señor, die Welt ist voller Wunder …«
Nach einigem Herumfragen fanden sie die Kommandantur der Küstenpolizei. Sie lag am Ende des kleinen Hafens, und am Anlegesteg schaukelten zwei schöne, weißleuchtende, mit Kanonen bestückte Schnellboote.
Es war ein Anblick, bei dem Faerber hätte in die Knie sinken können. Er umarmte Torques, gab dem Alten einen Kuß auf das stoppelige Kinn, drückte den Kopf des
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