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Ein toter Taucher nimmt kein Gold

Ein toter Taucher nimmt kein Gold

Titel: Ein toter Taucher nimmt kein Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sinnlos, diesen wirbelnden Schaumkronen auszuweichen. Die Kraft eines Menschen reicht nicht aus, sich gegen meterhohe Wellen zu stemmen und seinen Weg zu bestimmen. Mit ungeheuer Gewalt schleuderte das Meer auch Hans Faerber gegen die Sandbänke, warf ihn wie einen Ball in die kochende See, hieb ihn auf die harten Sandbuckel und rollte ihn wie Treibholz in dem zischenden Gischt herum.
    Es gab keine Möglichkeit mehr, sich zu wehren. Faerber ergab sich dem tosenden Meer. Ein paarmal schrie er auf, wenn er auf den harten Sand prallte, und was der Hai nicht geschafft hatte, erledigte das Meer mit brüllender Freude: Es vernichtete den Menschen, der so vermessen gewesen war, gegen es zu kämpfen. Es zerschlug seine letzte armselige Kraft …
    Am Abend fand der Fischer Manuel Torques einen blutigen, in Tang eingewickelten, besinnungslosen Menschen im Ufersand, dreihundert Meter südlich von seiner Hütte. Der Mensch atmete kaum noch. Er trug die Gummikleidung eines Tauchers, auf dem Rücken das Gestell, von dem die Sauerstoffflaschen abgebrochen waren, einen breiten Gürtel mit einem Dolch und eine Schwimmflosse am linken Fuß.
    Er lag auf der Seite in verkrümmter Haltung, und als Manuel Torques ihn auf den Rücken drehte, stöhnte der Mann in seiner Ohnmacht, und sein blutverschmiertes, aufgeschlagenes Gesicht verzerrte sich.
    Torques sah keine andere Möglichkeit, den Mann wegzuschaffen, als ihn in das Netz zu wickeln, das er über der Schulter trug. Den Fremden aufzuheben war unmöglich. Torques war nur 1,60 Meter groß, wog unter hundert Pfund, war schmächtig und vom Hungerleben ausgezehrt und wäre unter der Last zusammengebrochen.
    So aber ging es gut. Er schleifte den Mann durch den pulverfeinen Sand hinter sich her wie einen riesigen Fisch, von dem Manuel Torques zeit seines Lebens geträumt hatte, daß er ihn einmal aus dem Meer holen würde.
    In der Hütte schrie seine Frau Anna Maria auf, als Manuel von draußen rief: »Ich habe einen Sterbenden gefischt!«, und bekreuzigte sich dreimal, ehe sie half, den fremden Taucher ins Haus zu zerren. Dort legten sie ihn nieder, zogen den Reißverschluß des schwarzen Gummianzuges auf, und Manuel tat etwas, von dem ihm niemand gesagt hatte, daß es gut und gerade jetzt das beste war.
    Er ohrfeigte den sterbenden Mann, boxte ihm in die Brust und in den Magen, bis der Fremde würgte und kotzte und einen Schwall stinkenden Meerwassers erbrach. Damit rettete Manuel ihm das Leben.
    Anna Maria wusch dem Fremden dann das Gesicht und den zerschlagenen Körper, aber da er auch den beiden Torques zu schwer war – sechzig Jahre Hunger hinterlassen ihre Spuren –, ließen sie ihn vor dem Herd liegen, deckten ihn mit einer Filzdecke zu und warteten darauf, daß er aufwachte oder starb …
    Hans Faerber starb nicht.
    In der Nacht regte er sich, spürte Schmerzen wie Flammen in seinem Körper – der beste Beweis, daß er lebte – und hörte eine Stimme, die ihn auf spanisch fragte:
    »Señor, wachen Sie auf … wachen Sie auf … Können Sie mich hören?«
    Und eine weibliche Stimme sagte: »Sie müssen die Suppe essen, Señor. Sie wird Ihnen helfen …«
    Und die Männerstimme fügte hinzu: »Bestimmt! Glauben Sie Anna Maria. Ihre Suppen machen Tote lebendig …«
    Hans Faerber streckte sich und gab sich ganz dem wohligen, warmen Gefühl hin, das ihn durchströmte. Es war sogar stärker als die Schmerzen. Er spürte, wie ihm jemand eine Tasse an die Lippen setzte, er machte den Mund auf und schluckte.
    Die Suppe. Scharf gewürzt, ein belebender Feuerstrom, der durch die Kehle rann. Ich bin gerettet, dachte er dabei. Das Wunder ist wirklich geschehen. Ich lebe.
    »Ich muß sofort nach Xcalak«, sagte er mühsam. Er wußte nicht, ob seine Stimme überhaupt einen Klang hatte, ob man die Worte verstand, oder ob nur er sie in seinem Hirn hörte.
    »Bringen Sie mich nach Xcalak. Sofort. Jetzt gleich. Ich muß zur Polizei! Wie komme ich nach Xcalak?«
    »Zu Fuß oder mit einem Maultier.« Manuel Torques sah seine Frau Anna Maria kopfschüttelnd an. »Aber nicht Sie, Señor …«
    »Dann schnallen Sie mich auf einen Maulesel! Ich muß nach Xcalak! Ich gebe Ihnen eine Million Pesos, wenn Sie mich sofort nach Xcalak bringen …«
    Manuel Torques setzte die Suppentasse auf die Erde und zog die Filzdecke über Faerbers Kopf. »Das Meer hat ihm das Gehirn zerschlagen«, sagte er dabei. »Eine Million Pesos … armes Herrchen!«
    Und Anna Maria faltete die Hände und begann leise zu

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