Ein toter Taucher nimmt kein Gold
der Brücke gab ein Matrose Flaggenzeichen zu dem Nachbarboot.
»Alles auf Gefechtsstation!«
»Im Radarbild flimmern auch noch zehn kleine Punkte«, sagte Caballos ruhig. »Señor, gehen Sie unter Deck und lassen Sie sich vom Sanitäter Watte für die Ohren geben. Gleich knallen die Kanonen … Das kennen Sie noch nicht.«
»Seh' ich aus wie einer, der von einem Kanonenschuß umfällt?« Faerber rührte sich nicht vom Fenster. »Im übrigen habe ich meine zwei Jahre bei den Panzern abgeklopft. Ich bin ausgebildeter Kanonier.«
»Arzt, Taucher, Langstreckenschwimmer, Kanonier … Was sind Sie eigentlich noch, Señor?«
»Müde, Herr Kapitänleutnant. Verflucht müde. Ich könnte umfallen und schlafen.«
»Keiner hindert Sie daran. Sie haben es verdient.«
»Erst auf meinem Schiff!«
»Und in den Armen Ihrer Braut …« Caballos lächelte breit. Ein mexikanischer Kavalier hat für so etwas immer Verständnis.
»Auch das.« Faerber lächelte zurück. »Ich glaube, ich werde 48 Stunden schlafen …«
Noch bevor die Boote des kleinen Gauners Pedro, von dem man annahm, er sei der große Santilla, die beiden Kriegsschiffe sahen, donnerte die erste Salve der Kanonen durch den goldenen Abend. Sie schlug mitten zwischen den Booten ein, traf keines, aber Wasserfontänen zischten in die Höhe. Chagrin vollführte vor Freude einen irren Tanz auf dem Deck, riß Ellen an sich, küßte sie, holte Pascale an den Beinen vom Ruderhausdach und drückte auch sie an sich. Diesmal ließ sie es sich gefallen, aber sie war steif wie ein Stock und erwiderte seine Küsse nicht.
Es gab für sie keine Rückkehr mehr zu Chagrin. Vielleicht ein Verzeihen, aber nie ein Vergessen.
Pedro und seine Piraten gerieten in Panik. Wie so oft geübt stoben ihre Boote nach allen Richtungen auseinander. Dadurch brachte man den Angreifer in Verlegenheit, weil er nicht wußte, wen er nun verfolgen sollte.
Pedro und Domingo sowie zwei neu angeheuerte Helfer schrien sich die Kehlen wund, winkten, schossen in die Luft und heulten schließlich vor Wut. Ihr Boot, von Chagrin, Ellen und Pascale so beschädigt, daß es keine schnelle Fahrt mehr überstand, trieb mit tuckerndem Motor im Meer und wurde allein gelassen.
»Die Hunde!« brüllte Pedro und schüttelte die Fäuste zu den davonrasenden Booten. »Diese elenden Hunde! Madonna, strafe sie mit Aussatz und Syphilis! Domingo! Vollgas! Vollgas!«
Es war vergeblich. Schon nach wenigen Metern drückte das Wasser die zugestopften Löcher wieder ein, und das Boot lief voll. Resigniert winkte Pedro ab. Der Motor wurde abgestellt. Dann kniete sich Pedro hinter das Maschinengewehr, faltete die Hände und betete für sein Seelenheil. Die anderen, die das sahen, machten es ihm nach. Und so kam es, daß Kapitänleutnant Caballos neben einem schaukelnden Motorboot alle Maschinen stoppen ließ und verwundert auf die betenden Männer hinunterstarrte.
Es ist ein Märchen, daß Piraten ungläubige Halunken sind. Vor allem die mexikanischen Piraten nicht. Aus allen Rohren schießend verfolgte das zweite Kriegsschiff die flüchtenden Boote und schnitt ihnen den Weg zur Küste ab. Es war wie bei einer Hasentreibjagd – das Wild lief im Zickzack voraus, und der Jäger zielte und schoß, drehte sich, zielte, schoß und jeder Schuß traf.
Dann hatten die Matrosen Mühe, die schwimmenden und schreienden Piraten aus dem Meer zu fischen, bevor die ersten Haie auftauchten.
Über eine schwankende Planke, die man von Bord zu Bord gelegt hatte, lief Faerber auf sein Schiff. Ellen stürzte ihm entgegen und weinte plötzlich, hing an seinem Hals wie ein kleines Mädchen. Aller Mut, alle Kraft fielen von ihr ab, und es blieb nur das Gefühl des Glücks, zu leben … zu leben … zu leben …
Auch Pascale lehnte sich weinend an Faerber, wandte sich dann ab und ging schluchzend in die Kajüte. Dort setzte sie sich vor das Bild Peter Damms', schlug die Hände vors Gesicht und weinte laut in ihre Handflächen hinein.
Abseits, neben den Goldkisten und den Ledersäcken mit Juwelen, stand René Chagrin, das Schnellfeuergewehr noch in den Händen. Er lehnte es an seinen rechten Schenkel, als Faerber sich von Ellen losmachte und zu ihm ging. Über die Planke kamen jetzt Kapitänleutnant Caballos und zwei Offiziere an Bord und grüßten Ellen militärisch zackig, aber doch mit südländischer Grandezza.
»Sie haben es geschafft, Hans«, sagte Chagrin ruhig. »Gratuliere. Ich habe fest an Sie geglaubt. Ich stehe zu Ihrer Verfügung
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