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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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nachdem - durch Zufall - ein gewisser Teil der Wahrheit schon heraus ist, sollte besser auch der Rest zum Vorschein kommen.«
    Mr. Parker gab einen ermutigenden Laut von sich, der unter Laien die Funktion des priesterlichen »Ja, mein Sohn?« hat.
    »Sir Reubens Besuch am Montagabend galt nämlich mir«, sagte Sir Julian.
    »So?« machte Mr. Parker unbewegt.
    »Er glaubte Grund zu gewissen schlimmen Befürchtungen im Hinblick auf seine Gesundheit zu haben«, sagte Sir Julian langsam, als müsse er abwägen, wieviel er einem Fremden guten Gewissens offenbaren könne. »Er kam damit lieber zu mir als zu seinem Hausarzt, weil ihm besonders daran lag, daß seine Frau nichts von der Sache erfuhr. Wie ich Ihnen schon sagte, kannte er mich recht gut, und Lady Levy hatte mich im Sommer wegen einer Nervengeschichte aufgesucht.«
    »Hatte er sich bei Ihnen angemeldet?«
    »Wie bitte?« fragte der andere geistesabwesend.
    »Hatte er sich angemeldet?«
    »Angemeldet? O nein! Er kam einfach abends nach dem Essen plötzlich an, als ich nie mit ihm gerechnet hätte. Ich habe ihn hier heraufgeführt und ihn untersucht, und gegen zehn Uhr ist er dann wieder fortgegangen, soviel ich weiß.«
    »Darf ich fragen, welches Ergebnis Ihre Untersuchung hatte?
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Es könnte Licht - ich meine, es könnte eine mögliche Erklärung für sein anschließendes Verhalten bieten«, antwortete Parker vorsichtig. Diese Begebenheit schien wenig mit der übrigen Geschichte zu tun zu haben, und er fragte sich allmählich, ob es nicht doch reiner Zufall gewesen sein könnte, daß Sir Reuben in derselben Nacht verschwand, nachdem er den Arzt aufgesucht hatte.
    »Aha«, sagte Sir Julian. »Hm, ja, dann will ich Ihnen im Vertrauen sagen, daß ich triftige Gründe für schwerwiegende Befürchtungen gefunden habe, vorerst aber keine absolute Gewißheit.«
    »Danke. Sir Reuben hat Sie also um zehn Uhr verlassen?«
    »So um zehn herum. Ich habe zunächst nichts davon gesagt, da es Sir Reubens ausdrücklicher Wunsch war, seinen Besuch bei mir geheimzuhalten, und es ging ja auch nicht um einen Verkehrsunfall oder irgend etwas in dieser Art, denn schließlich ist er gegen Mitternacht unversehrt zu Hause angekommen.«
    »Eben«, sagte Parker.
    »Es wäre ein Vertrauensbruch gewesen - und ist es auch jetzt noch«, sagte Sir Julian, »und ich sage es Ihnen auch nur, weil Sir Reuben nun einmal zufällig gesehen wurde und ich es Ihnen lieber unter vier Augen anvertraue, als daß Sie herkommen und mein Personal ausfragen, Mr. Parker. Verzeihen Sie mir meine Offenheit.«
    »Gewiß«, sagte Parker. »Ich finde meinen Beruf auch nicht immer angenehm, Sir Julian. Jedenfalls bin ich Ihnen sehr dankbar, daß Sie es mir gesagt haben. Sonst hätte ich mit der Verfolgung einer falschen Fährte womöglich kostbare Zeit vertan.«
    »Ich brauche Sie nun gewiß nicht zu bitten, Ihrerseits mein Vertrauen zu respektieren«, sagte der Arzt. »Diese Geschichte an die Öffentlichkeit zu bringen, könnte nur Sir Reuben schaden und seiner Frau Kummer bereiten; außerdem könnte es mich bei meinen Patienten ins Zwielicht bringen.«
    »Ich verspreche Ihnen, die Sache für mich zu behalten«, sagte Parker, um gleich hinzuzufügen: »Außer daß ich natürlich meinen Kollegen informieren muß.«
    »Sie arbeiten mit einem Kollegen an dem Fall?«
    »Ja.«
    »Was für eine Sorte Mensch ist das?«
    »Er wird absolut verschwiegen sein, Sir Julian.«
    »Ist er Polizeibeamter?«
    »Sie brauchen nicht zu fürchten, daß Ihre vertrauliche Mitteilung in die Akten von Scotland Yard Eingang findet.«
    »Ich sehe schon, daß Sie sich auf Verschwiegenheit verstehen, Mr. Parker.«
    »Wir haben eben auch unser Berufsethos, Sir Julian.«
    Als Mr. Parker in die Great Ormond Street zurückkam, erwartete ihn ein Telegramm, das lautete: »Brauchst nicht zu kommen. Alles klar. Rückkehre morgen. Wimsey.«

7. Kapitel
    Als Lord Peter am nächsten Tag kurz vor dem Mittagessen, nachdem er sich zuvor in Balham und um den Victoria-Bahnhof herum ein paar Bestätigungen für die Ergebnisse seiner Nachforschungen geholt hatte, in seine Wohnung zurückkehrte, wurde er an der Tür von Mr. Bunter (der vom Waterloo-Bahnhof schnurstracks nach Hause gefahren war) mit einer telefonischen Nachricht sowie einem gestrengen Kindermädchenblick empfangen. »Lady Swaffham hat angerufen, Mylord, und läßt Ihnen sagen, Eure Lordschaft hätten doch hoffentlich nicht vergessen, daß Sie bei ihr zum

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