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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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was einfach nur, um sich selbst oder jemand anderem zu beweisen, daß sie auf diese Weise ein Vermögen machen könnten, wenn sie nur wollten. Das habe ich im kleinen Maßstab schon selbst getan.«
    Er klopfte seine Pfeife aus und schickte sich an, zu gehen. »Hör mal, Alter«, sagte er plötzlich, als Parker ihm die Tür öffnete, »ist dir aufgefallen, daß Frekes Erzählung gar nicht recht zu dem paßt, was Anderson gesagt hat, nämlich daß Levy am Montagabend so guter Dinge gewesen sein soll? Wärst du guter Dinge, wenn du glauben müßtest, so etwas zu haben?«
    »Nein«, sagte Parker; »aber«, fuhr er mit der gewohnten Vorsicht fort, »manche Leute erzählen ja sogar im Wartezimmer des Zahnarztes noch Witze. Du zum Beispiel.«
    »Stimmt auch wieder«, sagte Lord Peter und ging die Treppe hinunter.

8. Kapitel
    Lord Peter kam gegen Mitternacht nach Hause und fühlte sich ungewöhnlich wach und aufgekratzt. Etwas summte und schwirrte in seinem Kopf herum - es war, wie wenn jemand mit einem Stock in einem Bienenkorb herumgestochert hätte. Er hatte das Gefühl, vor einem schwierigen Rätsel zu sitzen, dessen Lösung ihm einmal jemand genannt hatte, aber sie fiel ihm jetzt nicht ein, obwohl er ganz nah daran war, sich zu erinnern. »Irgendwo«, sagte Lord Peter bei sich, »irgendwo habe ich den Schlüssel zu diesen beiden Fällen. Ich weiß, daß ich ihn habe, aber ich weiß nicht mehr, wie er aussieht. Jemand hat es mir gesagt. Vielleicht war ich es sogar selbst. Ich weiß zwar nicht, wo ich ihn habe, aber ich habe ihn. Gehen Sie ruhig zu Bett, Bunter, ich bleibe noch ein bißchen auf. Ich werfe mir nur rasch den Morgenmantel über.«
    Er setzte sich, in grellbunte Pfauen gehüllt, mit seiner Pfeife vors Feuer und überdachte noch einmal alle Spuren, denen sie bisher nachgegangen waren - Flüsse, die im Sand versickerten. Sie nahmen ihren Ausgang bei dem Gedanken an Levy, den man zuletzt um zehn Uhr abends in der Prince of Wales Road gesehen hatte. Dann rannen sie rückwärts von dem grotesken Anblick des Toten in Mr. Thipps' Badezimmer - liefen übers Dach und verloren sich - verliefen im Sand. Flüsse, die im Sand versickerten - unterirdische Flüsse, tief unter der Erde

    Wo Alph, der Fluß des Heiles, rann Durch Höhlen, die kein Mensch ermessen kann , In sonnenloses Meer.

    Wenn Lord Peter den Kopf nach unten neigte, glaubte er sie zu hören, ganz schwach, wie sie durch die Dunkelheit dahingurgelten und plätscherten. Aber wo? Er war ganz sicher, daß es ihm irgendwann einmal jemand gesagt hatte, doch er hatte es vergessen.
    Er rappelte sich hoch, warf ein Holzscheit ins Feuer und nahm ein Buch zur Hand, das der unermüdliche Bunter, mitten in den Aufregungen seiner verschiedenen Sonderaufgaben brav seine Alltagspflichten erfüllend, aus dem Times-Buchklub mitgebracht hatte. Es war Sir Julian Frekes Physiologische Grundlagen des Gewissens , das Buch, von dem er neulich eine Rezension gesehen hatte. »Das dürfte einen wohl einschläfern«, sagte Lord Peter. »Wenn ich diese Probleme jetzt nicht meinem Unterbewußtsein überlasse, bin ich morgen so ausgewrungen wie ein Waschlappen.«
    Er schlug das Buch langsam auf und überflog das Vorwort. »Ich möchte nur wissen, ob es wirklich stimmt, daß Levy krank war«, dachte er, indem er das Buch wieder hinlegte. »Es kommt mir nicht sehr wahrscheinlich vor. Und trotzdem - hol's der Kuckuck, ich will jetzt nicht mehr daran denken!«
    Er las entschlossen ein Weilchen weiter. »Ich glaube nicht, daß Mutter noch viel Verbindung mit den Levys hatte«, war der nächste aufmüpfige Gedanke. »Mein Vater hat diese Emporkömmlinge immer gehaßt und hätte sie nie nach Denver eingeladen. Und Gerald hält die Tradition aufrecht. Ob sie Freke damals gut gekannt hat? Mit Milligan scheint sie sich bestens zu verstehen. Ich gebe viel auf Mutters Menschenkenntnis. Mit dem Basar, das hat sie ja großartig gedeichselt. Ich hätte sie vorher warnen müssen. Einmal hat sie etwas gesagt -«
    Ein paar Minuten lang verfolgte er eine flüchtige Erinnerung, bis diese mit einem höhnischen Schwanzschlag gänzlich verschwand. Bald meldete sich wieder ein neuer Gedanke, ausgelöst durch ein Photo von irgendeinem chirurgischen Experiment. »Wenn Freke und dieser Watts nicht so überzeugend sicher ausgesagt hätten«, dachte er bei sich, »wäre ich nicht abgeneigt, der Sache mit diesen Baumwollfetzen am Kamin nachzugehen.«
    Er dachte kurz nach, schüttelte den Kopf und las verbissen

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