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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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gibt's?« fragte der Herzog, indem er sich gähnend erhob.
    »Marschbefehl«, antwortete Peter. »Zurück in die Stadt. Vielen Dank für die Gastfreundschaft, altes Haus - mir geht's schon sehr viel besser. Jetzt würde ich es ohne weiteres mit einem Professor Moriarty oder Leon Kestrel oder irgendeinem von der Sorte aufnehmen.«
    »Ich wollte, du würdest die Finger von der Polizeiarbeit lassen«, knurrte der Herzog. »Es ist manchmal richtig peinlich für mich, wenn mein Bruder solches Aufsehen von sich macht.«
    »Tut mir leid, Gerald«, erwiderte der andere. »Ich weiß, daß ich ein Schandfleck auf dem Familienwappen bin.«
    »Könntest du nicht heiraten, seßhaft werden, ein ruhiges Leben führen und etwas Nützliches tun?« fragte der Herzog unversöhnt.
    »Du weißt genau, daß ich damit schon mal eine Pleite erlebt habe«, sagte Peter, »und außerdem«, fuhr er gutgelaunt fort, »bin ich unendlich nützlich. Vielleicht brauchst du mich eines Tages sogar selbst; man kann nie wissen. Wenn dich einmal jemand erpressen sollte, Gerald, oder deine erste verlassene Frau kommt aus Westindien unerwartet hierher, dann wirst du feststellen, wie vorteilhaft es ist, einen Privatdetektiv in der Familie zu haben. >Heikle Privatangelegenheiten werden mit Takt und Diskretion erledigt. Ermittlungen aller Art. Beweissicherung in Scheidungsfällen unsere Spezialität. Volle Garantie!< Laß schon gut sein.«
    »Esel!« sagte Lord Denver und warf die Zeitung heftig auf seinen Sessel. »Wann willst du den Wagen haben?«
    »Eigentlich sofort. Hör mal, Jerry, ich nehme übrigens Mutter mit.«
    »Warum willst du sie da mit hineinziehen?«
    »Weil ich ihre Hilfe brauche.«
    »Ich nenne das sehr unpassend«, sagte der Herzog.
    Die Herzoginwitwe hingegen hatte keine Einwände. »Ich kannte sie mal ganz gut«, sagte sie. »Damals, als sie noch Christine Ford hieß. Warum, mein Lieber?«
    »Weil man ihr«, sagte Lord Peter, »eine schreckliche Nachricht über ihren Mann beibringen muß.«
    »Ist er tot?«
    »Ja. Und sie wird kommen und ihn identifizieren müssen.«
    »Arme Christine.«
    »Unter sehr widerwärtigen Umständen, Mutter.«
    »Ich komme mit dir, Lieber.«
    »Danke, Mutter, du bist großartig. Könntest du wohl jetzt gleich deine Sachen packen und mitkommen? Ich erzähle dir dann im Auto mehr davon.«

10. Kapitel
    Mr. Parker, ein getreuer, wenn auch ungläubiger Thomas, hatte sich auftragsgemäß an seinen Medizinstudenten herangemacht: einen jungen Mann mit langen Gliedern wie ein zu groß geratener Welpe, Unschuldsaugen und sommersprossigem Gesicht. Er saß jetzt in Lord Peters Bibliothek auf dem Chesterfieldsofa vor dem Kamin und war zu gleichen Teilen verwirrt ob seines Hierseins, seiner Umgebung und des köstlichen Trunks, den er zu sich nahm. Sein zwar ungeschulter, aber von Natur aus gut entwickelter Gaumen sagte ihm, daß es ein Sakrileg wäre, diesen Tropfen mit den Flüssigkeiten zu vergleichen, die er sonst zu trinken gewohnt war - billigem Whisky, Nachkriegsbier oder dubiosem Rotwein in den Restaurants von Soho; was er hier vor sich stehen hatte, lag außerhalb normaler Erfahrung: ein leibhaftiger Flaschengeist.
    Dieser Mr. Parker, dem er gestern abend in einem Lokal an der Ecke Prince of Wales Road zufällig begegnet war, schien ja ein ganz netter Kerl zu sein. Er hatte unbedingt darauf bestanden, ihn hierher mitzubringen und seinem Freund vorzustellen, der hier so herrlich und in Freuden am Piccadilly lebte. Parker war ein Mensch wie du und ich; er schätzte ihn als Staatsdiener ein, vielleicht auch als einen Angestellten aus der City. Aber aus diesem Freund wurde er nicht schlau: Erstens war er nämlich ein Lord, und seine Kleidung war geradezu ein Vorwurf an die gesamte Menschheit. Gewiß, er redete den herrlichsten Unsinn, aber auch das auf eine beunruhigende Weise. Er ritt nicht auf seinen Witzen herum, bis der letzte Tropfen herausgequetscht war, nein, er machte sie sozusagen im Vorübergehen und war schon längst wieder bei einem anderen Thema, bevor einem endlich eine Replik eingefallen war. Und er hatte einen wahrhaft furchterregenden Diener - einen von der Sorte, die man in Büchern beschrieben fand - dessen stumme Kritik einem das Mark in den Knochen gefrieren ließ. Parker schien dieser Tortur ja ganz gut gewachsen zu sein, und das ließ Parker noch ein Stückchen höher in der Achtung steigen; er mußte doch mehr in den Kreisen der Großen verkehren, als man ihm vom Aussehen her zugetraut hätte.

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