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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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Gedächtnis, als Sie sich selbst zutrauen.«
    »Warum kann ich mir dann dieses ganze medizinische Zeug nicht merken? Das geht alles aus meinem Kopf wieder heraus wie durch ein Sieb.«
    »Hm, ja, warum wohl?« meinte Lord Peter, der auf dem Kaminvorleger stand und auf seinen Gast hinunterlächelte.
    »Tja«, machte der junge Mann, »die Leute, die einen prüfen, stellen einem eben nicht solche Fragen wie Sie.«
    »Nein?«
    »Nein - da muß man sich an alles ganz allein erinnern. Und das ist elend schwer. Nichts, woran man sich festhaken kann, verstehen Sie? Aber sagen Sie mal - woher wußten Sie, daß Tommy Pringle unser Witzbold vom Dienst ist und -«
    »Das wußte ich nicht, bevor Sie es mir sagten.«
    »Ja, ich weiß. Aber woher wußten Sie, daß er dasein würde, wenn Sie danach fragten? Ich meine - sehen Sie«, sagte Mr. Piggott, der sich allmählich durch gewisse Einflüsse, die ihrerseits auch wieder etwas mit dem Verdauungstrakt zu tun hatten, etwas wohler zu fühlen begann. »Hören Sie, sind Sie nun eigentlich besonders schlau, oder bin ich besonders dumm?«
    »Nein, nein«, sagte Lord Peter, »das bin ich. Ich stelle immer so dumme Fragen, daß jeder glaubt, es müsse etwas dahinterstecken.«
    Das war für Mr. Piggott zu kompliziert. »Denken Sie sich nichts dabei«, sagte Parker tröstend, »so ist er immer. Sie dürfen das gar nicht zur Kenntnis nehmen. Er kann nichts dafür. Das ist vorzeitiger Altersverfall, wie man ihn oft bei alten Herrschergeschlechtern beobachtet. Geh, Wimsey, spiel uns die Dreigroschenoper vor oder so was.«
    »Das dürfte reichen, wie?« meinte Lord Peter, nachdem man den seligen Mr. Piggott nach einem wirklich ergötzlichen Abend nach Hause entlassen hatte.
    »Ich fürchte, ja«, sagte Parker. »Aber es kommt mir fast unglaublich vor.«
    »In der Natur des Menschen ist nichts unglaublich«, sagte Lord Peter, »zumindest in der Natur des gebildeten Menschen nicht. Hast du die Exhumierungsanordnung?«
    »Ich bekomme sie morgen. Ich wollte das mit der Armenhausverwaltung für morgen nachmittag ansetzen. Zuerst muß ich noch hin und mit ihnen reden.«
    »Da hast du recht. Ich sage meiner Mutter Bescheid.«
    »Mir geht es allmählich wie dir, Wimsey. Mir gefällt diese Aufgabe nicht.«
    »Mir gefällt sie jetzt schon viel besser als vorher.«
    »Und du bist wirklich ganz sicher, daß wir keinen Fehler begehen?«
    Lord Peter war zum Fenster geschlendert. Der Vorhang war nicht ganz zugezogen, und er stand vor dem Spalt und sah hinaus auf den erhellten Piccadilly. Bei dieser Frage drehte er sich um. »Wenn wir im Irrtum sind«, sagte er, »werden wir es morgen wissen, und dann ist niemandem geschadet. Aber ich glaube fast, du wirst auf dem Heimweg schon eine gewisse Bestätigung erfahren. Hör mal zu, Parker - wenn ich du wäre, würde ich heute nacht hierbleiben. Wir haben ein Zimmer frei; ich kann dich ohne weiteres unterbringen.«
    Parker sah in groß an. »Du meinst - meinst du, ich muß mit einem Überfall rechnen?«
    »Das halte ich wirklich für sehr wahrscheinlich.«
    »Treibt sich dort jemand auf der Straße herum?«
    »Im Moment nicht; aber vor einer halben Stunde.«
    »Als Piggott ging?«
    »Ja.«
    »Menschenskind - hoffentlich ist der Junge nicht in Gefahr!«
    »Das wollte ich ja sehen, darum bin ich mit hinuntergegangen. Ich glaube nicht. Überhaupt glaube ich nicht, daß jemand annimmt, wir hätten den Jungen ins Vertrauen gezogen. Aber ich glaube, du und ich sind in Gefahr. Bleibst du?«
    »Den Teufel werde ich tun, Wimsey. Warum sollte ich weglaufen?«
    »Quatsch!« sagte Peter. »Du würdest ohne weiteres weglaufen, wenn du mir glaubtest. Warum auch nicht? Aber du glaubst mir eben nicht. Du bist überhaupt noch nicht sicher, daß ich auf der richtigen Fährte bin. Geh hin in Frieden, aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«
    »Keine Bange; ich werde mit dem letzten Atemzug eine Mitteilung an dich diktieren, daß ich jetzt überzeugt bin.«
    »Na, aber geh wenigstens nicht zu Fuß - nimm ein Taxi.«
    »Na schön, das tue ich.«
    »Und laß niemanden zusteigen.«
    »Nein.«
    *
    Es war ein kalter, unfreundlicher Abend. Ein Taxi setzte eine Ladung Theaterheimkehrer vor dem Wohnblock nebenan ab, und Parker nahm es gleich in Beschlag. Er nannte dem Fahrer gerade seine Adresse, da kam ein Mann atemlos aus einer Seitenstraße angerannt. Er war in Abendanzug und Mantel und kam wild fuchtelnd angeschossen. »Sir - Sir! - Ach Gott, das ist ja Mr. Parker! Was für ein

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