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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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rühren lassen wollen. Ich habe sie. Du hast sie. Irgendwer hat einmal gesagt, die Hölle kennt nicht solche Wut wie eine verschmähte Frau. Da hat man's wieder den Frauen angehängt, den armen Ludern. Die Sexualität ist auch bei jedem Mann der Dollpunkt - da brauchst du gar nicht das Gesicht zu verziehen, du weißt genau, daß es stimmt - eine Enttäuschung nimmt er hin, aber keine Demütigung. Ich habe mal einen Mann gekannt, der von dem Mädchen, mit dem er verlobt war, den Laufpaß bekam, und nicht gerade auf die feine Art. Er sprach sehr anständig über sie. Ich fragte, was aus ihr geworden sei. >Ach ja<, sagte er, >sie hat einen andern geheiratet.< Und dann brach es aus ihm heraus; er hatte sich nicht mehr in der Gewalt. >Mein Gott, ja!< schrie er. >Das muß man sich vorstellen - sitzengelassen wegen einem Schotten!< Ich weiß nicht, was er gegen die Schotten hatte, aber das hatte ihn genau am wunden Punkt getroffen. Nun sieh dir Freke an. Ich habe seine Bücher gelesen. Seine Angriffe auf seine Widersacher sind einfach wüst. Dabei ist er Wissenschaftler. Aber er kann keinen Widerspruch ertragen, nicht einmal auf seinem Arbeitsgebiet, wo jeder wirklich erstklassige Mann vernünftig und aufgeschlossen ist. Würdest du ihm da zutrauen, daß er sich auf einem Nebengebiet einem andern geschlagen geben würde? Auf dem empfindlichsten Nebengebiet, das ein Mann hat? Gerade auf ihren Nebengebieten sind die Menschen am überheblichsten. Ich sehe rot, wenn jemand mein Urteil über ein Buch in Frage stellt. Und Levy - der vor zwanzig Jahren noch ein Niemand war - kommt daher und schnappt Freke sein Mädchen vor der Nase weg. Es ist nicht das Mädchen an sich, weswegen Freke sich grämt - sondern daß ein kleiner jüdischer Niemand ihm eins auf die aristokratische Nase gegeben hat. Und noch etwas. Freke hat noch ein Nebengebiet. Er liebt Verbrechen. In seinem Buch über Kriminologie schwärmt er förmlich für den hartgesottenen Mörder. Ich habe das Buch gelesen und jedesmal seine Bewunderung zwischen den Zeilen durchfunkeln sehen, wenn er über einen skrupellosen, erfolgreichen Verbrecher schrieb. Seine ganze Verachtung sparte er sich für die Opfer, die Reumütigen oder die Kopflosen auf, die sich erwischen ließen. Seine Helden sind Edmond de la Pommerais, der seine Geliebte zur Beihilfe bei ihrer eigenen Ermordung überredete, und der für seine Bräute im Bad berühmte George Joseph Smith, der seine Frau in der Nacht noch leidenschaftlich umarmen und am Morgen den Mordplan an ihr in die Tat umsetzen konnte. Schließlich ist das Gewissen für Freke nur so eine Art Wurmfortsatz. Weg damit, und man fühlt sich um so wohler. Die üblichen Gewissensbisse plagen Freke nicht. Siehe seine eigenen Einlassungen in seinen Büchern. Und weiter: Der Mann, der an Levys Stelle das Haus betrat, kannte sich in diesem Haus aus: Freke kannte sich in dem Haus aus; er war rothaarig, kleiner als Levy, aber nicht viel kleiner, denn er konnte seine Sachen tragen, ohne lächerlich darin zu wirken: Du hast Freke gesehen - du kennst seine Körpermaße - etwa einsachtzig, schätze ich - und seine rotbraune Mähne; er trug wahrscheinlich die Gummihandschuhe eines Chirurgen: Freke ist Chirurg; er war ein methodischer und wagemutiger Mensch: Chirurgen müssen beides sein. Nun nimm die andere Seite. Der Mann, der sich die Leiche von Battersea verschaffte, mußte irgendwie an Leichen herankommen können: Freke kam offensichtlich an Leichen heran. Er mußte kaltblütig, schnell und gefühllos im Umgang mit Leichen sein: Auf Chirurgen trifft das alles zu. Er mußte ein kräftiger Mann sein, um den Toten über die Dächer tragen und durchs Fenster in Thipps' Badezimmer abladen zu können: Freke ist ein kräftiger Mann und Mitglied eines Alpinistenvereins. Er trug wahrscheinlich Gummihandschuhe und ließ die Leiche mittels eines elastischen Verbandes vom Dach herunter: Das weist wieder auf einen Arzt hin. Er wohnte mit Sicherheit in der Nachbarschaft: Freke wohnt gleich nebenan. Das Hausmädchen, das du ausgefragt hast, hatte einen dumpfen Schlag auf dem Dach des Endhauses gehört: Das Haus liegt gleich neben dem von Freke. Jedesmal, wenn wir uns Freke ansehen, führt er uns irgendwohin weiter, während Milligan, Thipps, Crimplesham und alle die andern, die wir schon mit unserm Verdacht beehrt haben, uns nirgendwohin führen.«
    »Schon. Aber so einfach, wie du es darstellst, ist es doch nicht. Was hatte zum Beispiel Levy am Montagabend so heimlich

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