Ein Traum in roter Seide
schenkt."
„Lucille?"
„Sie ist meine Nachbarin und eine gute Freundin. Die Ohrrin ge habe ich auch von ih r. Sie hat sie mir geliehen. Glaub ja nicht, ich hätte ein halbes Vermögen dafür ausgegeben, die Garrisons zu beeindrucken."
„Du liebe Zeit, auf so eine Idee würde ich gar nicht kommen", entgegnete er leicht spöttisch.
„Außerdem gehe ich nicht rasch mal mit jemandem ins Bett", fügte sie hinzu.
„Dann wäre es am besten, du würdest Sachen zum Wechseln mitnehmen. Für die Nacht brauchst du nichts."
Michelle sah ihn mit großen Augen an.
„Du hast doch nichts dagegen, bei mir zu übernachten, oder?" fragte er leicht belustigt. „Ich möchte auf der Dinnerparty Wein trinken, und wenn ich etwas getrunken habe, fahre ich grundsätzlich nicht mehr."
„Okay, ich beeile mich." Michelle hatte sich sowieso ge wünscht, er würde sie bitten, die Nacht bei ihm zu bleiben. Deshalb tat sie erst gar nicht so, als hätte sie moralische Bedenken.
„Ich habe auch meine eigene Zahnbürste nicht vergessen", stellte sie scherzhaft fest, als sie mit ihrer kleinen Reisetasche zurückkam.
„Wahrscheinlich hast du für Überraschungsgäste immer das Nötigste im Haus, aber ich benutze lieber meine eige nen Sachen."
„Michelle!" warnte er sie.
„Ja, Tyler?"
„Du schätzt mich völlig falsch ein."
„Nein, bestimmt nicht, Tyler. Ich sehe dich genau so, wie du bist."
„Höchstens so, wie ich vielleicht einmal war. Aber so bin ich nicht mehr."
„Ein Leopard kann sein Fell nicht ändern."
„Doch, wenn die Flecken auf dem Fell nur aufgemalt sind."
„Wie bitte?"
„Ach, vergiss es. Komm jetzt, ich habe keine Lust, noch länger darüber zu diskutieren. Die ganze Woche habe ich mich auf heute 82
Abend gefreut."
Plötzlich fühlte Michelle sich schuldig. Vielleicht konnte er sich wirklich nicht ändern. Eins stand jedoch fest: Er war ihr ge genüber immer ehrlich gewesen. Deshalb wäre es nur fair, wenn sie auch ehrlich wäre.
„Ich auch", ga b sie zu und seufzte. Als er sich zu ihr umdrehte, trafen sich ihre Blicke.
Michelle bezweifelte, dass Tyler überhaupt in der Lage war, mit ein und derselben Frau über längere Zeit hinweg eine intime Beziehung zu haben. Doch dass er sie begehrte, konnte sie nicht abstreiten. Das Leuchten in seinen Augen verriet es ihr.
„Ich habe dich schrecklich vermisst und mich nach dir ge sehnt", stieß er hervor.
„Ich mich auch nach dir", gestand sie wahrheitsgemäß ein, auch wenn es vielleicht ein Fehler war. „Ich konnte mich kaum auf die Arbeit konzentrieren."
„Das verdammte Essen wird die reinste Hölle sein."
„Es stärkt unsere Charaktere."
„An unseren Charakteren ist nichts auszusetzen."
„Na ja, wie man's nimmt", entgegnete sie. „Aber du kannst dich aufs Dessert freuen. Das hebt normalerweise die Stim mung."
„Das Einzige, was ich mir zum Nachtisch wünsche, ist eine ganz bestimmte, ausgesprochen süße und sexy wirkende Brünet te."
Michelle errötete. „Du ... musst aufhören, solche Bemerkun gen zu machen."
Tyler lächelte. „Ah ja, dann weißt du, wen ich meine."
„Ich lasse mich nicht mehr von dir korrumpieren", erwiderte sie betont hochmütig, während ihre Fantasie verrückt zu spielen schien.
„Wir haben noch mindestens fünf Minuten Zeit. Ich verspreche dir, deine Frisur nicht zu ruinieren, auch nicht dein Kleid. Du brauchst noch nicht einmal die Sandaletten auszuziehen." In seinen Augen blitzte es vielversprechend auf.
„Jetzt aber raus!" forderte sie ihn leicht belustigt auf.
11. KAPITEL
Das Herrenhaus der Garrisons lag in de r besten Hafengegend im exklusiven östlichen Vorort Point Piper. Aus Sicherheitsgründen war es von einer hohen Steinmauer umgeben, und die zweiein halb Meter hohen Tore, durch die Tyler zwanzig Minuten später erstaunlich ruhig und gelassen fuhr, wurden elektronisch überwacht.
Er verließ die Auffahrt, die zu dem beeindruckenden Eingang mit den Marmorsäulen führte, und lenkte den Wagen auf die Ga rage neben dem Haus mit den sechs Stellplätzen zu.
Mit der Fernbedienung öffnete er eins der großen Tore und parkte seinen grünen Honda zwischen einem blauen BMW und einem roten Mazda. Noch ehe Michelle ausgestiegen war, schloss das Tor sich automatisch hinter ihnen.
„Ist das Cleos Auto?" fragte sie und wies auf den metallicblauen Aston Martin, der auf dem äußersten Platz stand. Er hatte eine verbogene Stoßstange, und die Tür wies einen langen, tiefen Kratzer auf.
„Ja", bestätigte
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