Ein Traum in roter Seide
beenden, ehe der Abend überhaupt angefangen hatte. Sie fuhr ihm, wie um ihn zu beruhigen, mit den Händen übe r das Revers seines Jacketts und lächelte ihn an.
„Was rede ich da", versuchte sie zu retten, was zu retten war. „Ich meine natürlich, ich habe mir vielleicht gewünscht, du wür dest mit mir schlafen. An Liebe zwischen uns habe ich sicher nicht gedacht, denn ich habe ja Kevin geliebt. Sex hat nicht un bedingt etwas mit Liebe zu tun, auch für Frauen nicht, wie ich seit vergangenem Wochenende weiß."
Tyler schob ihre Hände weg.
„So ist es eben", bekräftigte Michelle. „Du brauchst mich nicht so verächtlich anzusehen. Wir Frauen haben auch körperliche Bedürfnisse. Ich bin sicher, auch eine Frau kann gut damit leben, einen Mann zu lieben und einen anderen körperlich zu begehren.
Seien wir doch ehrlich, Tyler, du bist ein ungemein attraktiver Mann.
Der Meinung war ich schon immer, auch wenn ich dich oft feindselig behandelt habe."
Als sie merkte, dass Tylers Ärger verschwand, hielt Michelle die Gelegenheit für günstig, eine Antwort auf die Frage zu fin den, mit der 86
sie sich schon die ganze Woche herumgequält hatte.
„Mir ist jetzt klar, dass ich keine normal empfindende Frau wäre, wenn ich nicht die ganze Zeit insgeheim von dir geträumt hätte", fuhr sie deshalb fort. „Das erklärt natürlich nicht, warum du schon immer gern mit mir geschlafen hättest, denn normalerweise hast du ja eine Vorliebe für Frauen, die so aussehen wie Models. Was hat dich an mir so fasziniert? Vielleicht die Tatsache, dass ich Kevins Freundin war?
Oder war ich für dich eine Herausforderung, weil ich mich nicht vor Bewunderung vor dir auf die Knie geworfen habe? Kevin glaubt offenbar, es hätte etwas mit deinem männlichen Ego zu tun."
Sie hatte Kevin nicht erwähnen, sondern einfach nur die Wahrheit herausfinden wollen. Aber es passierte ihr bei Tyler immer wieder, dass sie mit etwas herausplatzte, was sie besser für sich behalten hätte.
Was erwartete sie überhaupt von ihm? Am besten würde sie sich entschuldigen.
Plötzlich packte er sie an den Schultern und zog sie an sich. Michelle glaubte, er würde sie küssen, aber er tat es nicht. Stattdessen lächelte er sie so kühl an, dass sie schauderte.
„Du bist überzeugt, du würdest mich kennen, stimmt's?" fragte er, und eine sanfte Drohung schwang in seiner Stimme. „Du hast ja keine Ahnung. Und auf Kevins Meinung verzichte ich gern. Erspar mir solche Bemerkun gen. Ich gebe jedoch zu, dass mein Ego eine gewisse Rolle spielt, genauso wie deins. O ja, du hast ein stark ausgeprägtes Ego, meine Liebe. Du verlierst nicht gern, deshalb hast du Kevin auch immer wieder verziehen."
Michelle gestand sich ein, dass er in gewisser Weise Recht hat te.
Dennoch gefiel es ihr nicht, dass er es erwähnte.
„Was willst du von mir hören, Michelle?" fuhr er spöttisch fort. „Dass ich mich auf den ersten Blick in dich verliebt habe? Oder dass ich mich zehn Jahre verzweifelt nach dir gesehnt habe? Und dass ich die Beleidigungen nur ertragen habe, weil ich verrückt nach dir war?"
Sein Spott verletzte Michelle zutiefst. „Das ist keine passende Antwort, finde ich", fuhr sie ihn ärgerlich an.
„Es gibt keine passende Antwort, meine Liebe. Tatsache ist, ich wollte schon an dem Tag, als ich dich kennen lernte, mit dir schlafen.
Zugegeben, ich habe mich sehr darüber geärgert, dass du mich überhaupt nicht beachtet hast. Und ich fand es unerträglich, wenn ich 87
dich mit Kevin turteln sah. Jedes Mal, wenn du ihm verziehen und wieder mit ihm angefangen hast, war ich zornig."
„Warum bist du dann nie auf mich zugekommen, wenn Kevin und ich uns getrennt hatten, was oft genug passiert ist?" fragte sie.
„Weil ich wusste, dass du mit ihm noch nicht fertig warst."
„Dann war dein Wunsch, mit mir zu schlafen, doch nicht so heftig, oder? Ich habe dich oft beobachtet, wenn du es darauf angelegt hattest, irgendein Mädchen zu verführen. Dir zu widerstehen fällt wohl allen Frauen schwer."
„Wie schmeichelhaft! Aber damit du es weißt: Es war nicht mein wichtigstes Ziel im Leben, mit dir zu schlafen."
„Oh ..." Michelle war verletzt und löste sich ärgerlich aus seinem Griff. „Du gemeiner Kerl!" Als sie die Hand hob, um ihn zu ohrfeigen, hielt er sie fest und ihre andere Hand vorsichtshalber auch.
„Aber seit letztem Wochenende ist alles anders", sagte er leise, während er Michelle gegen die Wagentür drückte. „Jetzt befürchte ich, dass
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