Ein Traum in roter Seide
hast ihm nur seinen Reichtum vorgeworfen!"
„Hör bitte auf!" rief Michelle aus. „Ich kann es nicht ertragen." Doch Cleo hatte kein Erbarmen mit der jun gen Frau, die soeben ihren Bruder zutiefst verletzt hatte. „Warum hat er wohl so oft seine Freundinnen gewechselt?" fuhr sie fort. „Weil er dich vergessen wollte. Aber das hat er nie geschafft. Ich habe gehofft, er würde über seine Liebe zu dir hinwegkommen. Als er mich Anfang dieses Jahres bat, das Bootshaus völlig neu zu gestalten, damit es nicht mehr wie die Wohnung eines Playboys wirkte, wurde mir klar, dass er dich nie vergessen würde. Und als er mit dir auf Kevins Hochzeit erschien, hatte ich Angst um ihn.
Dann hast du mir auf der Dinnerparty erklärt, du hättest ihn gern, und ich schöpfte neue Hoffnung. Ich dachte, du hättest endlich gemerkt, was für ein feiner Mensch Tyler in Wirklichkeit ist. Es war jedoch dumm von mir, so etwas zu hoffen. Du hast ihm das Herz gebrochen, weißt du das? Du hättest Tylers Miene sehen müssen, als du Kevin umarmt und geküsst hast!"
Michelle brach in Tränen aus. „Du verstehst es nicht", stieß sie schluchzend hervor. „Ich liebe nicht Kevin, sondern Tyler." „Ach ja?
Und das soll ich dir glauben?"
„Es ist wirklich wahr. Aber ich hatte Angst, er würde mich nicht lieben. Ich dachte ... Ach, es ist egal, was ich dachte. Ich bin Kevin jedenfalls rein zufällig begegnet, und er hat mich nach meiner Beziehung zu Tyler gefragt. Ich habe mit ihm über meine Zweifel geredet. Kevin hat mir versichert, wenn Tyler erkläre, er liebe mich, würde es auch stimmen. Darüber war ich so erleichtert, dass ich ihm einen freundschaftlichen KUSS gegeben habe. Das war alles."
„O nein, was für ein Durcheinander", antwortete Cleo.
Michelle stimmte ihr insgeheim zu, und sie entschloss sich, et was dagegen zu tun. Sie konnte es nicht ertragen, dass Tyler glaubte, sie liebe ihn nicht.
„Wohin ist Tyler gegangen?" fragte sie.
„Jedenfalls nicht wieder ins Büro, so viel ist sicher. Er wird allein sein 118
wollen. Wenn es um Gefühle geht, ist er sehr verschlossen. Er lässt sich nie etwas anmerken und behauptet, es sei alles in Ordnung. Ich bezweifle jedoch, dass er sich dieses Mal auch verstellen kann. So aufgewühlt und verzweifelt wie heute habe ich ihn noch nie erlebt."
„Ich muss ihn finden", erklärte Michelle. „Ist er vielleicht nach Hause gegangen? Ich meine, ins Bootshaus?"
„Das ist möglich."
„Es ist einen Versuch wert und besser, als nichts zu tun."
„Ich fahre dich hin."
„Okay, dann komm."
Tylers Wagen stand in der Garage, und die Tür zum Bootshaus war nicht verschlossen. Michelle wusste, wo sie ihn finden würde, und eilte die Treppe hinauf in sein Schlafzimmer.
Und dort war er dann auch. Er saß im Schaukelstuhl und blickte ins Leere. Seine Miene wirkte streng und irgendwie unversöhnlich.
„Tyler?" sagte Michelle heiser, und sogleich drehte er sich zu ihr um.
Sie hielt den Atem an, als sie seinen gequälten Blick be merkte.
„Was willst du hier?" fragte er gleichgültig. „Nein, du brauchst nicht zu antworten, ich kann es mir denken. Cleo weiß nie, wann sie aufhören muss. Was hat sie dir erzählt?" fuhr er erschöpft fort. „Nach deinem mitleidigen Blick zu urteilen, hat sie mit dir über meine Gefühle geredet.
Warum bist du gekommen? Willst du dich entschuldigen und mich um Verzeihung bitten, weil dir endlich klar geworden ist, dass du nur Kevin liebst? Das kannst du dir sparen. Geh bitte wieder. Es gibt keinen Grund für dich, noch länger hier zu bleiben. Ich werde mich bestimmt nicht umbringen, obwohl ich sekundenlang daran gedacht habe, als ich dich in Kevins Armen sah. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass es so wehtun würde."
„Tyler, hör auf!" rief Michelle aus. Sie fand seine Verzweiflung unerträglich. „Du hast alles falsch verstanden. Es war doch ganz anders."
Er lachte spöttisch, während er aufstand. „Ich habe selbst gesehen, was los ist. Gehst du jetzt freiwillig, oder muss ich dich hinausführen?"
Entschlossen hob sie den Kopf. „Ich gehe nirgendwohin. Erst hörst du mir zu."
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Tyler verzog das Gesicht. „Du musst immer noch das letzte Wort haben, Michelle. Okay, sag, was du zu sagen hast, und dann kannst du gehen."
„Ich bin Kevin rein zufällig begegnet", begann sie. „Wir haben uns unterhalten, und als ich deinetwegen weinen musste, hat er mich umarmt, um mich zu trösten. Dann hat er mich aufgefordert, ich solle aufhören, an
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