Ein Traum in roter Seide
muss ehrlich zugeben, meine Liebe, dass ich dich nicht erkannt habe", sagte Mrs. Garrison. „Das finde ich schlimm, auch wenn mir bewusst ist, dass ich ein schlechtes Personengedächtnis habe. Bringst du Michelle bitte einen Drink, Tyler? Du weißt bestimmt, was sie gern hat."
„Mit Champagner kann man bei ihr nichts verkehrt machen, wie ich festgestellt habe", antwortete er und warf Michelle einen viel sagenden Blick zu.
Michelle sah hinter ihm her, wie er zu seinem Vater an die Ge tränkebar ging. Er hatte ihr Herz gewonnen, ohne dass sie es gemerkt hatte. Dass sie ihn begehrte, war verständlich. Aber wieso liebte sie ihn? Sie hatte geglaubt, immer noch Kevin zu lieben und gegen solche gefühlsmäßigen Verstrickungen oder Verwicklungen gefeit zu sein, zumindest eine Zeit lang.
Plötzlich ärgerte sie sich. Wie konnte Tyler es wagen, sie dazu zu 94
bringen, ihn zu lieben, wenn er gar keinen Wert auf ihre Liebe legte?
Sie hatte nur Spaß mit ihm haben wollen, ohne an die Vergangenheit oder die Zukunft zu denken. Und sie hatte sich ein fach nur treiben lassen wollen, zumindest emotional, während ihr gebrochenes Herz heilte. Nichts anderes hatte sie vorgehabt, als den Augenblick und den Sex mit Tyler zu genießen.
Stattdessen musste sie sich jetzt mit dem Schmerz darüber auseinander setzen, schon wieder einen Fehler gemacht und eine falsche Entscheidung getroffen zu haben.
Wie hatte Lucille es ausgedrückt? Tyler sei ein Mann, den man nicht so leicht vergessen würde ...
Michelle betrachtete Tyler. Er war so attraktiv, aber zugleich auch so unberechenbar, dass es ihr beinah jetzt schon das Herz brach.
„Tyler hat erwähnt, dass du in einer Werbeagentur einen verantwortungsvollen Job hast und sehr erfolgreich bist, was deine Arbeit betrifft", sagte seine Mutter.
„Nicht nur das, Mom", mischte Tyler sich ein und reichte Michelle das Glas Champagner. „Sie hat mich kürzlich abends auch bei der Quizsendung im Fernsehen geschlagen."
„Warum auch nicht?" fragte seine Mutter. „Du weißt eben nicht alles, auch wenn du es dir einbildest."
Tyler lachte. „Keine Sorge, das nächste Mal wird sie mich nicht schlagen. Ich habe viel geübt." Er zwinkerte Michelle zu.
Bei dem Gedanken, noch ganz andere Spiele mit Tyler zu spielen, durchdrang sie ein so heftiger Schmerz, dass sie beinah laut aufgestöhnt hätte. Ihr Verstand sagte ihr, es sei am besten, die kurze Beziehung sogleich zu beenden. Doch wenn es um Liebe ging, war Michelle schon immer schwach gewesen. Deshalb blieb sie, wo sie war, und lächelte krampfhaft.
Im Lauf des Abends stellt e sie fest, dass Tylers Eltern sehr net te Menschen waren. Sie unterhielten sich mit Cleo und Tyler und behandelten sie wie gleichberechtigte Erwachsene. Dennoch vergaßen sie offenbar nie, dass sie ihre Kinder waren, die sie liebten und um die sie sich So rgen machten. Deshalb wurde der arme Hugh auch nach Strich und Faden ausgefragt. Er musste den Test bestehen, wenn er Cleo heiraten wollte. Michelle hatte Verständnis dafür.
Glücklicherweise fand Hugh während des Essens sein Selbstvertrauen 95
wieder und machte insgesamt einen guten Ein druck. Und zum ersten Mal an diesem Abend sah Cleo richtig glücklich aus.
Michelle dachte darüber nach, dass es ihrem Vater völlig egal wäre, wen sie heiratete. Für ihn war nur wichtig, dass sie nicht nach Hause zurückkam. Er hatte seine Erleichterung nicht verbergen können, als sie ausgezogen war, nachdem sie ihr Studium beendet und einen Job gefunden hatte.
Tylers Vater hörte sich jedoch so an, als wäre es ihm lieber, seine erwachsenen Kinder würden das Elternhaus nicht verlassen. Er war ein großer, breitschultriger Mann, hatte klare blaue Augen und ein von Wind und Wetter gezeichnetes Gesicht. Wahrscheinlich verbrachte er viel Zeit auf seinem Segelboot, oder er spielte Polo.
„Tyler hat glänzende Arbeit geleistet, was das Magazin betrifft", erzählte er Michelle stolz beim Dessert. „Ich brauche mir keine Sorgen zu machen, wenn ich mich in einigen Jahren ganz aus dem Unternehmen zurückziehe. Er muss nur noch die richtige Frau finden, dann bin ich völlig zufrieden."
Von allen Seiten wurden ihm böse Blicke zugeworfen, auch von Tyler.
„Okay, mir ist klar, dass ich das nicht hätte sagen sollen. Aber jeder normale Vater wünscht sich, dass seine Kinder eine eigene Familie gründen. Was meinst du, Michelle? Tyler hat mir erzählt, dass ihr schon zehn Jahre gute Freunde seid. Meinst du nicht auch, es sei
Weitere Kostenlose Bücher