Ein Traum in roter Seide
Liebe. Aber glücklicherweise kann das von mir niemand behaupten!
Vergiss das Make-up, ich habe genug von deinem Gerede und gehe nach Hause."
„Nein, das kannst du nicht machen! Tyler würde mich umbrin gen."
Panik spiegelte sich in Cleos Gesicht.
„Falls du bereit bist, dich angemessen zu entschuldigen, und mir versprichst, mich den ganzen Abend sehr höflich zu behandeln, überlege ich es mir vielleicht noch mal."
In Cleos Augen blitzte es ärgerlich auf. Doch dann gab sie sich geschlagen. „Du hast Recht", murmelte sie, „es tut mir Leid, ich bin zu weit gegangen. Es ist nur so, dass ..."
„Ja?"
„Ach, nichts. Komm, wir kümmern uns lieber um den Fleck an deinem Hals."
Michelle stand ganz angespannt da, während Cleo versuchte, den blauen Fleck mit Make-up abzudecken. „Was hat Tyler sich dabei gedacht? Vor lauter Liebe konnte er offenbar nicht bis nach der Dinnerparty damit warten, dir dieses Ding hier zu verpassen", sagte Cleo leicht gereizt.
„Ich glaube nicht, dass es etwas mit Liebe zu tun hat", erwi derte Michelle und verzog das Gesicht. „Deshalb brauc hst du dir 92
meinetwegen auch keine Gedanken zu machen. Eigentlich hätte ich gedacht, du würdest deinen Bruder besser kennen. Egal, welche Motive du mir unterstellst, Tyler denkt gar nicht daran zu heiraten. Er will nicht mehr von mir als das, was du in der Garage beobachten konntest, Cleo. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber wenn jemand verletzt wird, dann nicht Tyler, sondern ich."
Cleo runzelte die Stirn. „Hast du ihn etwa wirklich gern?"
„Ich habe ihn lieber, als für mich gut ist. Aber verrat es bitte nicht."
„Warum nicht?" fragte Cleo.
Michelle lachte. „Weil Tyler gar nicht will, dass ich ihn liebe. Cleo, du kennst deinen Bruder offenbar wirklich nicht. So, man sieht den Fleck nicht mehr. Wenn wir nicht bald nach unten ge hen, wird Tyler uns suchen. Und das möchtest du doch nicht, oder?"
12. KAPITEL
Michelle und Cleo gingen über die beeindruckend breite Treppe nach unten in den offiziellen Gesellschaftsraum, in dem Michelle noch nie gewesen war. Auf Tylers Partys hatte man dieses Zim mer nie betreten dürfen. Jetzt verstand sie auch, warum.
Sie sah sich in dem Raum um. Er war voller Sessel und Sofas mit weichen Kissen. Dazwischen standen mit üppiger Schnitzerei verzierte Couchtische, und auf kleinen Beistelltischen und Hockern standen exquisite Skulpturen und Porzellanfiguren. Nein, für ausgelassene Partygäste war das hier nicht geeignet. Schon allein um den wertvollen Orientteppich wäre es schade gewesen, wenn die jungen Leute Drinks darauf verschüttet hät ten.
Die eine Hälfte des Zimmers wurde von dem großen Kamin mit dem offenen Feuer dominiert. Tyler und derselbe dunkelhaarige junge Mann, in dessen Begleitung Cleo auf Kevins Hochzeit erschienen war, lehnten mit einem Drink in der Hand am Kamin sims und unterhielten sich.
Der arme Hugh, wie Cleo und Tyler ihn zuvor genannt hatten, drehte nervös das Glas in den Händen, während Tyler viel entspannter wirkte. Mr. Garrison mixte gerade an der großen Ge tränkebar in der Ecke einen Drink. Und seine elegante Frau saß graziös auf dem mit 93
Goldbrokat überzogenen Sofa und trank einen Martini.
Michelle hätte nicht sagen können, welcher Designer das schwarze Kleid entworfen hatte, das Tylers Mutter, die immer noch eine großartige Figur hatte, trug. Doch ihr war klar, dass es ein Vermögen gekostet hatte, genauso wie die Brillantkette und die dazu passenden Ohrringe.
Tyler blickte seine Schwester durchdringend an, als sie mit Michelle hereinkam. Dann sah er Michelle an, und seine Miene hellte sich auf.
Bei seinem liebevollen Lächeln prickelte ihr die Haut. Plötzlich begriff sie, was geschehen war: Sie hatte diesen Playboy nicht nur gern, sondern sie hatte das getan, wovor Lucille sie gewarnt hatte, sie hatte sich in Tyler verliebt.
„Da seid ihr ja endlich!" rief in dem Moment Mrs. Garrison aus. Sie hörte sich ganz normal an und redete nicht so betont vornehm wie Cleo. „Komm, Michelle, setz dich neben mich. Ich möchte gern herausfinden, warum wir beide uns nie unterhalten haben, obwohl du oft auf Tylers Partys warst." Sie klopfte auf das Kissen neben ihr und lächelte Michelle an.
Ich glaube, Tylers Mutter könnte mir gefallen, obwohl ich es mir nicht habe vorstellen können, überlegte Michelle. Sie durchquerte den Raum, ohne in den hochhackigen Sandaletten auf dem dicken Teppich zu stolpern, und setzte sich neben Tylers Mutter.
„Ich
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