Ein Traummann auf Mallorca
versuchte sie, die Fassung zu wahren, während sich in ihrem Kopf die Gedanken im Kreise drehten. War es nicht eine Ironie des Schicksals, dass ihre Lüge ausgerechnet in dem Moment enthüllt wurde, in dem sie endlich die Wahrheit hatte sagen wollen? Wer würde ihr jetzt noch glauben?
Sie atmete tief durch. „Es tut mir leid.“
„Bitte etwas genauer!“ Wütend funkelte Javier sie an. „Was tut dir leid? Dass du mich wochenlang belogen hast? Dass du mein Vertrauen missbrauchst und mir im Auftrag meiner Tante nachspionierst? Oder“, sein Ton war schneidend, „bedauerst du vor allem, dass ich dir auf die Schliche gekommen bin?“
„Nein, das nicht.“ Charlene schüttelte den Kopf. „Um ehrlich zu sein, ich bin froh, dass das Versteckspiel endlich ein Ende hat. Wenn es nur um mich gegangen wäre, ich hätte dich schon längst ins Vertrauen gezogen, aber …“
„Spar dir die Mühe!“, unterbrach er sie. „Erzähl mir lieber von der Vereinbarung zwischen meiner Tante und dir. Was genau beinhaltet sie? Und inwiefern hast du davon profitiert? Ging es dir von Anfang an darum, an Insiderinformationen aus meinem Unternehmen zu gelangen, um die illegalen Geschäfte deines Vaters zu fördern?“
„Insiderinformationen? Illegale Geschäfte?“ Irritiert und entgeistert zugleich starrte sie ihn an. „Um Himmels willen, nein! Was redest du denn da bloß?“ Sie fühlte sich, als würde der Boden unter ihren Füßen wegbröckeln. Javier hatte alles herausgefunden – doch offenbar zog er die vollkommen falschen Schlüsse aus seinen Informationen!
„Ich will die Wahrheit wissen, Charlene. Wofür hat Tante Maria dich engagiert? Was solltest du für sie tun? Mich dazu bringen, mich mit meinem Vater auszusöhnen? Aber wie …?“ Plötzlich weiteten sich seine Augen. „Aber ja, natürlich! Es ist diese rührselige Geschichte, die du mir aufgetischt hast, nicht wahr? Für deine Rolle der treu sorgenden Tochter, die in der Stunde der Not zu ihrem Vater steht, obwohl sie von ihm so schlecht behandelt wurde, hättest du wirklich einen Oscar verdient!“
„Aber so ist es nicht!“, widersprach Charlene verzweifelt. Tränen stiegen ihr in die Augen, doch sie blinzelte sie zurück. „Es stimmt, Señora Velásquez hat Kontakt mit mir aufgenommen, um mir ein Angebot zu machen. Aber es war nicht so, wie du zu denken scheinst. Ja, sie wollte, dass ich mich um die Stelle als Kindermädchen bei dir bewerbe. Allerdings ging es ihr ausschließlich um Auroras Wohl!“
Javier lachte abfällig. „Ja, natürlich! Tut mir leid, aber ich kenne Maria zu gut, um das zu glauben. Du musst dir schon etwas Besseres einfallen lassen, um mich zu überzeugen.“ Fassungslos schüttelte er den Kopf. „Wie konnte ich bloß so dumm sein! Zu glauben, dass dir Aurora etwas bedeutet, war wohl der größte Fehler meines Lebens. Wie bringst du so etwas nur fertig, Charlene? Sie vertraut dir!“
„So, wie sie dir vertraut“, entgegnete Charlene. Sie wusste, dass sie jeden seiner Vorwürfe verdiente, auch wenn sie sie wie glühende Pfeile ins Herz trafen. Sie hatte einen Fehler gemacht, als sie auf die Bedingungen von Maria Velásquez eingegangen war. Dennoch bereute sie es nicht. Wie auch? Durch dieses Arrangement hatte sie Javier und Aurora schließlich überhaupt erst kennengelernt. Und selbst wenn alles hier und jetzt enden sollte, war sie dankbar dafür, dass die beiden ihr Leben – wenn auch nur für kurze Zeit – bereichert hatten. Und genau deshalb würde sie nicht zulassen, dass Javier alles zerstörte, was sie gemeinsam erreicht hatten. Charlene nahm den Werbeprospekt der englischen Eliteschule vom Tisch und warf ihn Javier zu. „Was hat das zu bedeuten? Bitte, sag mir, dass du nicht vorhast, Aurora auf ein Internat zu schicken!“
„Ich wüsste nicht, was dich das anginge“, entgegnete er kalt. „Hör zu, Charlene. Ich möchte, dass du mein Haus verlässt. Pack deine Sachen und verschwinde. Mein Leben und das meiner Tochter gehen dich nichts mehr an. Ich muss verrückt gewesen sein zu denken, du könntest den Platz von Catalina, meiner verstorbenen Frau, einnehmen!“
„Aber …“
„Nein, kein Aber!“ Er ging zur Tür und öffnete sie. „Ich erwarte, dass du das Anwesen in spätestens zwei Stunden verlassen hast. Und richte deinem Vater von mir aus, dass er es auch mit seinen miesen Geschäftspraktiken nicht schaffen wird, meine Firma zu ruinieren.“
Die Kehle war ihr wie zugeschnürt, als sie den Raum verließ.
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