Ein Traummann auf Mallorca
Arbeitszimmer angrenzten.
„Möchtest du etwas trinken?“, fragte er gerade, als der Klingelton seines Handys erklang. Er zog das Gerät aus der Hosentasche und warf einen Blick aufs Display. „Es ist Dolores“, erklärte er. „Macht es dir etwas aus, einen Moment zu warten? Vermutlich braucht sie nur ein paar Zahlen für die Statistik, an der sie gerade sitzt.“
Charlene schüttelte den Kopf. Im Grunde war sie sogar ganz froh über die Atempause, die das Telefonat ihr bot. Was tust du eigentlich hier? Bist du dir der Konsequenzen deines Handelns wirklich bewusst?
Das Mobiltelefon am Ohr, verschwand Javier in seinem Arbeitszimmer. Unschlüssig stand Charlene da. Nun, da sie Zeit hatte, darüber nachzudenken, meldeten sich auch schon wieder Zweifel an ihrem Vorhaben. Ob es wirklich eine gute Idee war, ihm die ganze Wahrheit zu gestehen? Immerhin bestand die Gefahr, dass er sie umgehend vor die Tür setzte. Und was sollte dann aus Aurora werden? Wie sollte sie der Kleinen erklären, dass sie nicht länger für sie da sein konnte?
Um ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, schlenderte Charlene im Zimmer umher und sah sich um. Die gesamte Ausstattung trug unverkennbar Javiers ganz eigene Handschrift. Dunkles glänzendes Holz, weinrotes Leder und wuchtige schwere Möbel verliehen dem Raum eine betont maskuline Note. Versonnen strich Charlene mit den Fingern über den glatten Lederbezug eines Sessels.
Plötzlich fiel ihr Blick auf einen Werbeflyer auf dem gläsernen Beistelltisch neben dem Sessel. Der Prospekt warb für eine kostspielige Eliteschule in England, die weltweit einen hervorragenden Ruf genoss. Charlene runzelte die Stirn. Was wollte Javier damit? Spielte er etwa immer noch mit dem Gedanken, Aurora in ein Internat zu schicken?
Sie nahm die Broschüre in die Hand, und dabei segelte ein kleiner gelber Zettel, der zwischen den Seiten gelegen hatte, zu Boden. Darauf stand: „Termin bei Direktor Gillespie“, darunter ein Datum samt Uhrzeit.
Charlene schluckte. Dann stimmte es also: Javier wollte seine Tochter abschieben. Aber spürte er denn nicht, dass das Kind noch längst nicht so weit war, ohne seinen Vater auszukommen?
Nicht dass sie grundsätzlich etwas gegen Internate einzuwenden gehabt hätte, und vermutlich würde Aurora sich in ein paar Jahren ohne Probleme in die Gemeinschaft einer solchen Schule einfügen. Aber doch nicht im Augenblick, wo sie gerade dabei war, wieder Vertrauen zu dem einzigen Menschen zu fassen, den sie auf der Welt noch hatte: ihrem Vater.
Charlene konnte es nicht fassen. War denn gar nichts von dem, was sie ihm nahezubringen versucht hatte, bei Javier angekommen? Entschieden schüttelte sie den Kopf. Jemand musste ihn davon abbringen, einen folgenschweren Fehler zu begehen – und wie es schien, gab es nur einen einzigen Menschen, der dafür infrage kam.
Sie selbst.
„Was soll das, Dolores? Ich habe dir schon mehrfach erklärt, dass ich meine Personalentscheidungen nicht mit dir zu diskutieren wünsche. Charlene ist das Beste, was mir in Bezug auf Aurora passieren konnte.“ Gereizt fuhr Javier sich durchs Haar und klemmte sich das Mobiltelefon zwischen Schulter und Wange. „Wenn du also nur anrufst, um sie schlechtzumachen, sollten wir das Gespräch an dieser Stelle lieber beenden.“
Er ärgerte sich über das Verhalten seiner Assistentin. Schon heute früh im Büro hatte sie ihn immer wieder bedrängt, sich ein neues Kindermädchen zu suchen. Sie war sogar so weit gegangen, sich eine Auswahl Bewerbungen von der Agentur, mit der er üblicherweise zusammenarbeitete, schicken zu lassen. Dolores’ Behauptung zufolge störte die Tatsache, dass Javier neuerdings so viel Zeit mit seiner Tochter verbrachte, inzwischen nämlich die Abläufe in der Firma.
Anscheinend begriff sie nicht, dass er gar nichts an der Situation ändern wollte. Und außerdem: Nur weil sie die Schwester seines besten Freundes war und er sich für sie verantwortlich fühlte, bedeutete das noch lange nicht, dass sie sich in seine Angelegenheiten einmischen durfte.
Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, sie zu seiner Angestellten zu machen. An ihren fachlichen Kompetenzen hatte er zwar nicht das Geringste auszusetzen, aber ihm schien, sie schätzte ihre eigene Position als ein bisschen zu wichtig ein.
Er würde mit ihr darüber sprechen müssen. Allerdings nicht jetzt. Nicht heute Abend.
Leider war Dolores, die von ihrem Apartment in der Stadt anrief, nicht gewillt, sich
Weitere Kostenlose Bücher