Ein Traummann auf Mallorca
Tränen brannten ihr in den Augen. Zerstört, einfach zerstört! Alles, wofür sie die vergangenen Wochen so hart gekämpft hatte. Das Geld, das Señora Velásquez für die Therapie ihres Vaters überwiesen hatte, würde sie bis auf den letzten Cent zurückzahlen, und wenn es ein ganzes Leben lang dauern würde.
Doch viel schlimmer als der finanzielle Schaden war das Gefühl, versagt zu haben.
Sie hatte Javier helfen wollen, nicht denselben Fehler zu begehen wie einst ihr Vater. Aurora sollte es besser haben. Sie sollte eine glückliche, sorglose Kindheit erleben dürfen, in dem Wissen, dass es jemanden gab auf der Welt, der sie liebte.
Stattdessen würde Javier sie nun auf ein Internat schicken, weit weg von ihrer Heimat. War ihm denn nicht klar, dass er damit alles zunichtemachte, was sie gemeinsam erreicht hatten?
„Javier, ich …“ Sie drehte sich um, wollte noch ein letztes Mal versuchen, ihn umzustimmen.
Doch er hatte die Tür bereits hinter ihr geschlossen. Deutlicher als alles andere zeigte ihr dies, dass es zu spät war. Sie hatte verloren.
Als sie kurz darauf das Gästezimmer betrat, in dem sie eine kurze, glückliche Zeit gewohnt hatte, fühlte sie eine tiefe Traurigkeit in sich aufsteigen. Wer hätte gedacht, dass sie sich an diesem Ort – unter einem Dach mit Javier Santiago – jemals so zu Hause fühlen konnte. Nun zerriss ihr die Vorstellung, von hier fortgehen zu müssen, schier das Herz.
Ebenso wie der Gedanke, Aurora niemals wiederzusehen.
Und Javier.
Merkwürdig, dachte sie. Noch vor gar nicht langer Zeit habe ich ihn gehasst, weil ich glaubte, dass er mit unlauteren Machenschaften versucht, das Geschäft meines Vaters zu zerstören. Und jetzt? Was empfinde ich heute für ihn?
Die Antwort auf diese Frage war so einfach wie grausam: Sie liebte ihn. Doch für Javier und sie würde es niemals eine gemeinsame Zukunft geben.
Und die Schuld daran trug ganz allein sie.
10. KAPITEL
Eine Stunde darauf hatte Charlene ihre Habseligkeiten gepackt. Mit Tränen in den Augen schloss sie den Kofferdeckel und blickte sich noch einmal in ihrem Zimmer um. Wer hätte gedacht, dass dieser Raum innerhalb so kurzer Zeit zu einem Zuhause für sie werden würde? Aber vielleicht war es besser, dass sie jetzt ging. Der Abschied wäre ihr mit jedem weiteren Tag nur noch schwerer gefallen.
Nicht dass der Gedanke ihr die Trennung von Javier und Aurora erleichtert hätte. Es zerriss Charlene schier das Herz, wenn sie sich klarmachte, dass sie die beiden vermutlich niemals mehr wiedersehen würde. Und wie sie nun hatte feststellen müssen, war zudem all ihre Mühe, Vater und Tochter einander näher zu bringen, am Ende doch umsonst gewesen.
Ob sie noch einmal versuchen sollte, mit Javier zu reden? Ihm vor Augen zu führen, was er Auroras empfindsamer Kinderseele antat, wenn er seine Tochter auf ein Internat schickte? Sie verwarf den Gedanken. So wütend, wie er auf sie war, würde sie eher das Gegenteil von dem erreichen, was sie wollte.
Sie trat hinaus auf den Balkon und ließ den Blick zum letzten Mal über das Anwesen schweifen. Wie sollte es jetzt bloß weitergehen? Um ihren Vater brauchte sie sich keine Sorgen mehr zu machen. Sein Therapieplatz war ihm sicher, sobald er aus der Klinik entlassen wurde, denn die Zahlung von Maria Velásquez war bereits erfolgt. Sie konnte das Geld jetzt höchstens noch von ihr, Charlene, zurückverlangen. Doch sie glaubte nicht, dass es dazu kommen würde. Somit war es nur eine Frage der Zeit, bis Graham wieder ganz der Alte war.
Aber was sollte aus ihr selbst werden?
Sie hätte nie für möglich gehalten, dass sie sich eines Tages auf Mallorca wieder heimisch fühlen würde. Doch genau das war der Fall. Obwohl es weniger mit der Insel selbst als mit den beiden Menschen zu tun hatte, denen sie hier begegnet war.
Menschen, die nun nicht mehr länger Teil ihres Lebens sein würden.
Tiefe Verzweiflung ergriff von ihr Besitz. Sie liebte Aurora wie ihre eigene Tochter, und was Javier betraf … Heiße Tränen rannen ihr über die Wangen, und ein tiefes Schluchzen entrang sich ihrer Kehle. Für eine kurze Weile hatte sie geglaubt, endlich ihren Platz im Leben gefunden zu haben – und zwar an Javiers und Auroras Seite. Lange war sie nicht bereit gewesen, es sich selbst einzugestehen, doch ihre Gefühle für Javier gingen weit über das hinaus, was sie jemals für einen anderen Mann empfunden hatte.
War es nicht eine Ironie des Schicksals, dass sie die ganze Wahrheit erst
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