Ein Traummann zum verzweifeln
einen dampfenden Bechcr in die Hände. Als ihr der Duft von frisch gebrühtem Kaffee in die Nase stieg, schloss sie genießerisch die Augen. Während sie an dem Becher nippte, warf sie ihm, mit einem Auge blinzelnd, einen argwöhnischen Blick zu. Sie wünschte sich, er hätte ein Hemd an. All die Haut und die Muskeln machten sie, na ja, halt unruhig.
Er erhob sich und setzte sich auf die Truhe, die als Kaffeetisch diente. Er griff hinter sich und schob die Ecke ihres Waffenkoffers, auf den er sich unfreiwillig gesetzt hatte, weiter zurück. Dann sah er sie ungnädig an. »Du schläfst wie eine Tote.«
»Oh, Entschuldigung. Es freut dich sicher zu hören, dass ich meine Schlafzeit nicht in Rechnung stelle.«
»Spitze. Das wird mir bestimmt ein großer Trost sein, wenn die Typen im Gänsemarsch an dir vorbeidefilieren, um mich in aller Seelenruhe in meinem Bett abzuknallen.«
Sie senkte den Becher. »Was schlägst du vor, Nick? Dass ich mit einem offenen Auge schlafe? Oder wäre es dir lieber, wenn ich überhaupt nicht schlafe?«
»Das habe ich nicht gesagt!«
»Nein, du hast mir nur zwischen den Zeilen zu verstehen gegeben, dass mich mein Schlaf inkompetent macht.« Sie beäugte ihn über den Rand des Kaffeebechers. »Andererseits ... Nun, ich hasse es zwar, dir in irgendetwas Recht zu geben, aber an deinem Argument ist tatsächlich etwas dran. Eventuell solltest du darüber nachdenken, noch jemanden für die Nachtschicht anzuheuern.« Dann könnte ich nach Hause gehen und mich neu sortieren – und könnte tagsüber mit dieser verrückten Situation besser umgehen.
»Oh, ja. Darüber werde ich ernsthaft nachdenken ... sobald ich genügend Geld für einen neuen Vorschuss habe.«
Er stand auf und steckte die Hände in die Taschen. »Dabei fällt mir ein, zieh dich an. Wir müssen in einer halben Stunde los.«
»Verdammt, Coltrane!« Daisy schoss von der Couch hoch, der Kaffee spritzte, die Decke rutschte. Sie stellte den Becher ab und funkelte ihn zornig an. »Was muss denn noch geschehen, um dich von der Straße fern zu halten? Hat dir das gestern nicht gereicht? Hast du daraus rein gar nichts gelernt?«
»Doch, doch. Von jetzt an schaue ich erst nach rechts und links, bevor ich eine Straße überquere.« Er zuckte mit seinen nackten Schultern. »Ich habe Rechnungen zu bezahlen, Daisy – ich bin meinen Kunden gegenüber verpflichtet.«
»Du bist lebensmüde, das ist es, was du bist.«
Er fuhr ihr mit der von Chemikalien aufgerauten Fingerkuppe den Unterarm hinunter bis zur Hand, in der sie die Waffe hielt. »Du erzählst mir doch ständig, wie gut du bist.«
Seine Berührung hinterließ eine Gänsehaut. Sie wedelte seine Hand weg. »Ich bin auch gut. Aber wenn du jede Vorsichtsmaßnahme in den Wind schlägst, gibt es nicht viel, was ich für deine Sicherheit tun kann.« Trotz seiner flapsigen Haltung spürte sie irgendeine unterschwellige Wut in ihm, die sie nicht einzuordnen wusste. Doch sein verschlossener, sturer Gesichtsausdruck zeigte ihr, dass jedes Argumentieren sinnlose Zeitverschwendung war. Also schlängelte sie sich an ihm vorbei. »Schön, ich mach mich fertig.« Ihr Arm streifte aus Versehen seinen warmen Oberkörper, und die Tatsache, dass die Berührung sofort jede Faser ihres Körpers elektrisierte, setzte ihr gewaltig zu.
Als sie eine Minute später unter dem harten Strahl der Dusche stand, fragte sie sich, warum sie, um alles in der Welt, immer noch an einem Job festhielt, über dem in dreißig Zentimeter hohen, flammenden Lettern »Katastrophe« geschrieben stand.
Sicher, sie brauchte Nicks Vorschuss. Und sie wollte natürlich auch, dass ihre Firma Erfolg hatte. Aber dies hier war Wahnsinn – Nick berührte all ihre schwachen Punkte, brachte ihre schlimmsten Charakterzüge zum Vorschein. Jede Minute in seiner Gesellschaft zerrte mehr an ihren Nerven als jeder noch so schwierige Einsatz. Und bei dem Tempo, das sie vorlegte, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie selbige völlig verlor und Mist baute. Und dann war sie geliefert.
Nick pfiff offensichtlich auf ihren Sachverstand, was sie ihm nicht einmal verübeln konnte, nicht, wenn sie sich so unprofessionell verhielt. Ein ums andere Mal hatte sie es versäumt, ihren Kopf zu benutzen, wenn es dringend angebracht gewesen wäre. Stattdessen hatte sie mit blindem Aktionismus reagiert, ohne jeden Sinn und Verstand – so benahmen sich meist ja nicht einmal unerfahrene Jugendliche. Nick war der einzige Mensch in ihrem Bekanntenkreis,
Weitere Kostenlose Bücher