Ein Tropfen Blut
leise.
Katharina zog ihre Augenbrauen hoch. »Aus dem Grund, den ich mir denke?«
Der fast Sechzigjährige atmete tief durch und nickte. »Wegen Carina. Frag mich nicht, wie sie es herausgefunden hat, aber vorletztes Wochenende war Schicht.«
Zander fing Arne gerade noch ein, bevor er den sorgfältig geordneten Aktenstoß auf Heinzels Seite des Schreibtisches ins Wanken bringen konnte. »Kann mir mal jemand erklären, was los ist?«
»Ganz einfach«, nickte Gassel, bevor Katharina etwas sagen konnte. »Meine Frau hat von meinem Verhältnis erfahren und sofort die Konsequenzen gezogen.«
»Du hast ein Verhältnis?«, staunte Ulli. »Mit wem denn?«
»Das tut doch nichts zur Sache«, mischte sich Katharina ein. »Wo wohnst du denn jetzt?«
Gassel zuckte die Achseln und schaute verlegen zur Seite. »Ich schlaf im Wagen. Die ersten Nächte war ich in einem Hotel, aber auf Dauer wird das zu teuer.«
»Warum bist du nicht zu deiner Freundin gezogen?«
»Carina ist zurzeit in den USA, sie kommt erst übernächste Woche zurück. So lange bin ich wohl obdachlos.«
»Da brat mir doch einer einen Storch«, wunderte sich Ulli. »Du hast eine Freundin? Wie alt ist die denn?«
»Jünger als ich«, erklärte Katharina trocken und heftete ihre Augen auf Gassel.
»Ich weiß, Männer sind Schweine und ich bin der Obereber«, zischte der Grauhaarige angriffslustig. »Bin mal gespannt, ob bei euch noch alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, wenn ihr mal dreißig Jahre verheiratet seid.«
»So war das nicht gemeint«, log Katharina schnell. »Ich hab nur überlegt, ob du mit unserer Couch im Wohnzimmer zufrieden sein würdest.«
»Häh?«, machten Gassel und Ulli gleichzeitig.
»Ist doch bescheuert, im Auto zu pennen und sich im Büro zu rasieren«, erklärte Katharina. »Wenn du Lust hast, kriech für ein paar Tage bei uns unter. Platz haben wir genug.«
»Aber keinen begehbaren Kühlschrank«, stichelte Zander, kniff Gassel aber gleichzeitig ein Auge zu.
»Macht… macht euch das wirklich nichts aus?«, stammelte Gassel verlegen.
»Wir werden es schon überleben. Und jetzt stell deinen Rasierer wieder an. Halb gerupft siehst du wirklich doof aus.«
10
»Himmelherrgott noch mal, mit so einem Scheiß kriegen wir doch kein vernünftiges Heft zusammen.«
Freddy Karwatzki warf den Ordner mit den Artikelvorschlägen auf den Konferenztisch und gönnte seinen Redakteuren einen bösen Blick. Es war Sommer, es war Fußballeuropameisterschaft, es war Nachrichtenflaute und die Pappnasen, die sich als seine Mitarbeiter verkleidet hatten, lieferten nichts als abgestandene Luft. Die nächste Ausgabe drohte so interessant zu werden wie eine Rede des Oberbürgermeisters.
Alex Fuhrmann, der Dienstälteste bei Prisma, der etwas anderen Ruhrgebietsillustrierten, zupfte seine Pfeife aus dem Mund und räusperte sich vernehmlich. Neben der Verwaltung der redaktionsinternen Kaffeekasse war er für den Bereich der kommunalpolitischen Skandale zuständig.
»Zugegeben, die Konzeption könnte etwas origineller sein, aber du darfst nicht vergessen, dass die anderen Blätter zurzeit ebenfalls auf dem letzten Loch pfeifen. Im Augenblick guckt doch alles nach Belgien und Holland.«
»Und genau diese Schwäche müssen wir gefälligst ausnutzen«, dröhnte Karwatzki lautstark. »Wenn wir jemals annähernd die Verkaufszahlen von Marabo oder Prinz erreichen wollen, müssen wir uns genau in dieser themenschwachen Zeit positionieren.«
»Betriebswirtschaft erstes Semester«, flüsterte Sven Westheim, der Buch- und Plattenkritiker des Blattes, seiner zierlichen Nachbarin zu. Janine Klein unterdrückte ein Kichern.
»Habt ihr beiden etwas Produktives beizusteuern?«, bellte Karwatzki.
Westheim zog vorsichtshalber den Kopf ein und rutschte ein wenig tiefer in seinem Sessel hinab.
»Wir haben immer noch diese Serie über die Ruhrgebietskrimis«, warf sich Janine in die Bresche. »Irgendwann müssen wir die bringen, bevor die endgültig verstaubt.«
»Alter Hut«, nuschelte Peter Hagedorn, der Sportminister der Illustrierten.
Janine war das Küken in dem Haufen, frisch von der Uni gekommen. Bis sie ihren Enthusiasmus verloren hatte, würden mindestens noch zwei Wochen vergehen.
»Meinetwegen«, stimmte Karwatzki widerwillig zu. »Zieht das auf zwei Seiten, wenn nötig mit jeder Menge Fotos.«
Sven Westheim nickte Janine dankbar zu und richtete sich wieder ein Stückchen auf. Karwatzki schoss sich bereits auf sein nächstes Opfer
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