Ein Tropfen Blut
steckt der Kerl in Geldnot«, überlegte Wielert leise. »Eigentlich ein zu schönes Motiv.«
»Aber nur theoretisch«, meinte Hofmann. »Denk an die Blutgruppe. Ich hatte ja die vage Hoffnung, dass Lacours Hausarzt seine Aussage pulverisiert, aber Pech gehabt. Er hat wirklich Blutgruppe null.«
»Also gut, Frau Schäfer, Sie sehen zu, ob Sie über den glücklichen Witwer noch weitere interessante Details herausfinden«, entschied Wielert. »Karl Heinz, du kümmerst dich mal um die Kontakte, die dieser Achmed hier in der Szene hatte. Unter Umständen ist er ja einem seiner alten Freunde auf die Füße getreten oder jemand hatte da noch eine Rechnung offen. Katharina und Berthold, ihr klappert die Leute, die die Schuldscheine unterschrieben haben, ab. Hast du die Liste?«
Hofmann fummelte einen einzelnen Bogen aus seinem Papier hervor und nickte.
Wielert sah auf die Uhr. »Jetzt ist es gleich halb zehn. Wir treffen uns um fünf wieder, okay?«
»Äh, wie ist das mit Überstunden?«, fragte Schäfer.
»Gibt es da ein Problem?«
»Ich mein ja nur, bei mir haben sich schon etliche angesammelt. Eigentlich müsste ich mir die genehmigen lassen.«
»Das lassen Sie meine Sorge sein«, gab Wielert zurück. »Ab geht’s.«
»Ich hab es gewusst«, nörgelte Hofmann, als er mit Katharina auf den Flur trat. »Die Drecksarbeit bleibt wieder bei uns hängen.«
»Beschwer dich nicht«, meinte die Blonde. »Wetten, mindestens die Hälfte der Leute treffen wir gar nicht an.«
»Ach, wenn es nur das wäre«, ächzte Hofmann. »Ich kann dir schon jetzt Pappschildchen mit den Aussagen malen: ›Herr Kommissar, ich? Wie kommen Sie nur darauf? Das muss ein Irrtum sein.‹«
»Du bist und bleibst ein Pessimist«, urteilte Katharina. »Warte einen Moment. Ich hol eben meine Tasche.«
Als sie die Tür zu ihrem und Hofmanns Büro öffnete, schlug gerade das Telefon an. Neugierig spähte sie auf das Display und stutzte. Die Nummer kam ihr bekannt vor. Nach kurzem Nachdenken grinste sie und hob ab.
»Morgen, Horst. Na, hast du Sehnsucht nach der Großstadt?«
Vom anderen Ende der Leitung war zunächst nichts zu hören. Dann hatte sich Lohkamp erholt. »Morgen, Katharina. Ich vergesse immer, dass ihr ISDN habt.«
»Hast du doch auch«, stichelte die Blonde.
»Stimmt, aber dafür noch ein Telefon mit Kurbel.«
»Und, wie ist die Lage in Wattenscheiß?«
»Mädchen, ich schäker ja wirklich gerne mit dir, aber nicht heute.«
»Ist das dienstlich?«, fragte Katharina und warf Hofmann, der inzwischen ebenfalls im Raum stand, einen ahnungsvollen Blick zu.
»Leider. Wir haben hier eine Leiche gefunden. Und ihr solltet, so schnell es geht, herkommen.«
»Kannst du das nicht mit deinen Leuten erledigen? Wir stecken bis zum Hals in Arbeit.«
»Ich will hier am Telefon nicht darüber reden«, drückte sich der Chef der Kriminalwache Wattenscheid um eine klare Auskunft. »Kommt vorbei. Und bringt am besten gleich das große Aufgebot mit.«
»Sag mir die Adresse«, bat die Blonde mit trockenem Mund.
27
»Hast du eine Idee, warum Horst am Telefon so geheimnisvoll getan hat?«, fragte Hofmann, während Katharina mit sechzig die Kurve vom Westring auf die Alleestraße nahm. Das Heck des Vectra brach aus, doch die Kommissarin steuerte gegen und gab im entscheidenden Moment wieder Gas. Auf den zwei Kilometern vom Präsidium bis hier hatten sie Wielert und Gassel mindestens eine volle Minute abgenommen.
»Keinen Schimmer«, antwortete Katharina, während sie die Reklame einschaltete und die Sirene aufbrüllen ließ. Unter der Eisenbahnunterführung tat sich nur eine kleine Lücke auf. Hofmann hätte noch nicht mal ein paar getragene Socken darauf gewettet, dass der Wagen den Durchschlupf ohne Schramme passieren würde. Katharina zögerte keine Sekunde.
»Wundert mich schon, warum der bei uns angerufen hat«, setzte Hofmann die Konversation fort, als sein Herz wieder zu schlagen begonnen hatte.
Die Blonde gönnte ihrem Kollegen keine Antwort, sondern donnerte mit über hundert in Bochums eingemeindeten Stadtteil. Hier war der Hund so tief vergraben, dass allein schon eine Geschwindigkeitsübertretung als Aufmacher für den Lokalteil taugte. Wenig später setzte die Kommissarin den Blinker, ordnete sich links ein und dirigierte den Wagen an einigen abbruchreifen Gebäuden vorbei. Endlich kam die erste grünweiße Wanne in Sicht.
Horst Lohkamp stand in seiner obligatorischen Wildlederjacke neben einem der Streifenwagen,
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