Ein Tropfen Blut
hatte endlich Urlaub; sofern diese beiden Leichen bis dahin vom Tisch waren.
Katharina musterte die Gesichter ihrer Kollegen. Sie kannte sie lange genug, um an dem jeweiligen Mienenspiel zu erkennen, ob die anstehende Besprechung Neues bringen würde oder nicht. Hofmann blätterte in einem Wust von Unterlagen, das Papier war an den Rändern stark zerknittert. So ordentlich er sonst auch war, Papier durfte man ihm nicht in die Hand geben. Dabei huschten seine Augen müde über die Notizen.
Gassel thronte vor einem säuberlich gestapelten Haufen von Aktenordnern, die Arme über der Brust verschränkt. In den zurückliegenden zwei Tagen hatten sie sich so gut wie nicht über ihre Arbeit unterhalten, aber trotzdem war Katharina klar, dass das ehemalige Schwergewicht nichts Neues würde erzählen können.
Einzig Annika Schäfer konnte die Blonde noch nicht einschätzen. Die ausgeliehene Kollegin inspizierte ausgiebig ihre Fingernägel auf Lackschäden und ließ sich nichts anmerken.
Wielert dagegen schien etwas auf der Pfanne zu haben.
»Fangen wir mit dem Bericht der Kriminaltechnik an«, befahl der Leiter des KK 11 und nickte Hofmann aufmunternd zu.
Dieser Part blieb meistens an dem Stoppelhaarigen hängen. »Nichts Weltbewegendes«, kam es erwartungsgemäß. »Rex und seine Leute haben in der Bar zwar jede Menge Fingerabdrücke gefunden und sie jagen sie alle durch den Computer, jedoch stammt bisher kein einziger von einem unserer Bekannten.«
»Gab es sonst was am Tatort?«, stellte Wielert die nächste Frage, obwohl er die Antwort schon wusste.
»Nichts, abgesehen von den Patronenhülsen. Bei der Tatwaffe handelt es sich um eine fünfundvierziger Magnum Automatik. Muss ganz schön gekracht haben, als es diesen Achmed erwischte.«
»Hat die Pistole eine Geschichte?«, erkundigte sich Gassel.
»Nein, wenigstens haben unsere Jungs nichts feststellen können. Die Knarre scheint so kalt wie ein Tiefkühlhähnchen zu sein.«
»Was zu erwarten war«, nickte Wielert. »Weiter.«
»Nun, der Tresor hatte es in sich«, berichtete Hofmann. »Hing wie in einem schlechten Hollywoodfilm hinter ‘nem billigen Ölschinken. Und der Inhalt liefert Mordmotive bis Weihnachten.«
»Schuldscheine?«, tippte Schäfer.
»Erraten. Alles in allem etwas über fünfzig Stück, insgesamt im Wert von über einer halben Million Mark. Meistens kleine Häppchen, aber auch einige dicke Brocken über vierzig- oder fünfzigtausend Mark.«
»Tinnef«, erklärte Katharina. »Das bringt nichts.«
»Wieso?«, fragte Wielert verwundert.
»Einer von Achmeds Schuldnern nimmt ihn aufs Korn, weil er ihn finanziell ruiniert hat. Und dann macht er sich aus dem Staub, ohne die Schuldscheine mitzunehmen? Unwahrscheinlich.«
»Vielleicht hat der nur seine eigenen Schuldscheine eingesammelt«, meinte Schäfer.
»In einer derartigen Stresssituation? Würdest du, unmittelbar neben einer von dir produzierten Leiche, Aktenordner durchblättern? Wobei du jeden Moment damit rechnen musst, dass plötzlich jemand in der Tür steht?«, wandte Katharina ein. »Nee, als Motiv sieht das auf den ersten Blick prima aus, aber ich fürchte, da steckt etwas anderes dahinter. Soviel ich weiß, befand sich auch Bargeld in dem Tresor, oder?«
»Zwanzigtausend«, bestätigte Hofmann. »Noch nicht einmal in einem Umschlag, sondern lose obenauf. Jeder, der den Safe öffnete, hätte als Erstes das Geld sehen müssen.«
»Wäre der Mörder an dem Inhalt des Safes interessiert gewesen, hätte er alles mitgenommen. Und denkt an die Aussage dieser Frau Claas. Danach hat sich der Mörder unmittelbar nach den Schüssen verdünnisiert.«
»Aber warum hat er den Safe dann überhaupt geöffnet?«, fragte Annika.
»Vielleicht hat er das ja gar nicht. Vielleicht hatte sich Peeren, bevor sein Mörder erschien, selbst Unterlagen aus dem Safe genommen.«
»Das ist möglich«, nickte Gassel anerkennend. »Allerdings kann sich Frau Claas, was das Zeitempfinden betrifft, auch täuschen. In einer solchen Stresssituation kommen dir mitunter Minuten wie Sekunden vor.«
»Trotzdem werden wir die Schuldner einen nach dem andern unter die Lupe nehmen«, ordnete Wielert an. »Sonst noch etwas?«
Hofmann zuckte bedauernd die Schultern. »Alles in allem war es das. Ach, warte, da gab es noch einen kleinen Schlüssel, mit dem niemand etwas anfangen konnte. Sieht nach einem Schließfach aus. Rex wollte sich darum kümmern, aber ich hab ihm gesagt, das übernehme ich. Einverstanden?«
»Gut.
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