Ein Tropfen Blut
Bücherladen.
Locke war selbstverständlich schon da. Das Würstchen stand direkt vor dem Tisch mit den Taschenbüchern und blätterte in einem Krimi. Alle fünf Sekunden hob er den Kopf, um sich umzusehen.
Schlecht, das Kerlchen war nervös. Balu blieb an dem Treppengeländer, welches die Stufen, die zur Direktionsebene führten, flankierte, stehen und verstärkte instinktiv den Druck auf die unter seine Achsel geklemmte Zeitung. Dabei beobachtete er Locke unablässig. Endlich hatte ihn der Kerl bemerkt. Das Buch landete wieder in der Auslage und Locke setzte sich in Bewegung.
Balu hob die Hand auf Brusthöhe und schüttelte fast unmerklich den Kopf. Dann schaute er angestrengt zur Seite. Keine zehn Meter von ihnen entfernt befand sich der Eingang zu der Bahnhofskneipe mit dem originellen Namen Charly’s Bummelzug.
Locke hatte verstanden. Sich noch einmal umsehend, schlug er den Weg zu der Pinte ein. Im Inneren der Kneipe blieb er unsicher stehen, Balu lief an ihm vorbei und steuerte auf den letzten Tisch in der Fensterreihe zu. Erst als sich sein Auftraggeber hingesetzt und die mitgebrachte Zeitung achtlos neben sich gelegt hatte, löste sich Lockes Erstarrung.
»Benimm dich nicht wie der letzte Idiot«, fauchte Balu zur Begrüßung. »Wenn ich geahnt hätte, dass du das große Nervenflattern kriegst, hätte ich jemand anderen gefragt.«
»Entschuldige«, gab Locke trotzig zurück. »Wenn du dir nach einem Mord in Ruhe die Schuhe zubinden kannst, klasse. Mir geht das ganz schön an die Nieren.«
»Hättest du dir eher überlegen müssen«, knurrte Balu und setzte ein unbeteiligtes Gesicht auf. Die Kellnerin schwebte heran, drückte den Rücken durch, wodurch unter der dünnen Bluse ihre von einem BH befreiten Brüste noch mehr nach vorne sprangen, und zückte ihren Block.
»Pils«, machte Balu es kurz und bündig.
»Ich auch«, ergänzte Locke und spielte mit dem noch unbenutzten Aschenbecher auf dem Tisch.
Die Kinnlade der Bedienung rutschte ein paar Zentimeter in die Tiefe. Offensichtlich hatte sie die Wirkung ihres Vorbaus überschätzt. Insgeheim hakte sie ein freundliches Trinkgeld schon ab.
»Hat es Probleme gegeben?«, fragte Balu, als sie wieder ihre Ruhe hatten.
»Nein«, antwortete Locke nach kurzem Zögern.
»Und warum rufst du dann voller Panik in der Bar an? Was meinst du, was los wäre, wenn die Bullen den Anschluss abhören?«
Locke wurde bleich. »Scheiße. Daran hab ich gar nicht gedacht.«
»Hab ich bemerkt. In Zukunft lässt du solchen Mist, verstanden?«
»Was haben euch die Bullen gefragt?«, ging Locke nicht auf die Aufforderung ein.
Balu kniff ein Auge zusammen und lehnte sich zurück. Gleich darauf standen ihre Gläser auf dem Tisch.
»Routine. Glaubst du, die erfinden wegen eines ausgeknipsten Zuhälters das Alphabet neu?«
»Erzähl nicht in Rätseln«, zischte Locke. »Haben sie euch die Story abgekauft?«
»Sicher«, meinte Balu nach dem ersten Schluck, »Bäh, die Pisse ist ja lauwarm.«
»Bestell dir doch ein paar Eiswürfel. Mann, red endlich.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, erklärte Balu. »Mausi hat ihren Spruch aufgesagt, eine absolut geniale Show abgeliefert und zwei Liter Krokodilstränen verdrückt.«
»Dann sind wir aus dem Schneider?«, hoffte Locke.
»Noch lange nicht, Kleiner. Das sind zwar Beamte, aber die sind alles andere als blöd. Vermute, als Erstes werden die neben Achmeds auch meine und Mausis Vergangenheit gecheckt haben. Als Nächstes werden die sich im Milieu umhören, ob vielleicht jemand etwas hat läuten hören. Und wenn sie da nichts finden, laden sie Mausi und mich noch mal zu einer ausführlichen Vernehmung ein.«
»Scheiße«, wiederholte Locke. »Dann sind wir noch lange nicht durch, was?«
»Solange du keinen Fehler machst, kann uns nichts passieren. Bevor ich dich eingeweiht habe, haben Mausi und ich lange alles hin und her überlegt. Uns beiden können sie nichts anhängen. Also werden sie sich irgendwann zwangsläufig um Achmeds frühere Kumpel und um die Stammgäste kümmern.«
»Dann ja auch um mich?«, bohrte Locke sofort nach.
»Ach, woher denn? Kennt dich in der Bar einer mit richtigem Namen? Bist du einmal besoffen mit einer der Nutten aufs Zimmer gegangen und hast ihr deine Lebensgeschichte erzählt? Na, siehst du.«
»Trotzdem, immerhin könnten die euren Laden beobachten. Wenn ich das nächste Mal auftauche, kommen die auf mich.«
»Also wirst du nicht mehr bei uns auftauchen«, erklärte Balu ruhig.
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