Ein Tropfen Blut
Kredithai eine kleine Bankfiliale zur Aufbewahrung seiner Schätze gesucht.
»Um was geht es eigentlich?«, erkundigte sich die Bankangestellte, die sich Hofmann als ›Frau Ritter‹ vorgestellt hatte.
»Tut mir Leid, darüber darf ich Ihnen keine Auskunft geben.«
»Och, kommen Sie«, drängelte Frau Ritter. »Ich verrate es auch nicht.«
Inzwischen waren sie am Fuß der Treppe, die zu den Kellerräumen führte, angelangt. Frau Ritter deutete mit dem Kopf nach links, wo ein schmaler Gang tiefer in die in dezentem Grau gestrichenen Gewölbe führte.
»Nichts zu machen«, entgegnete der Beamte.
»Sie sind mir ja ein Geheimniskrämer«, lächelte Ritter und tippte ihrem Besucher neckisch auf den Arm.
Hofmann holte Luft. Die Frau war zwar ganz bestimmt nicht hässlich, hätte aber fast seine Mutter sein können. Der Beamte schätzte die Bankerin auf knapp über fünfzig.
»Kann ich allein mit diesem Schlüssel den Tresor öffnen, oder müssen Sie ebenfalls aufschließen?«, wechselte Hofmann das Thema.
»Nein, Ihr Schlüssel reicht allemal. Hier vorn, bitte.«
Frau Ritter zückte ein imposantes Schlüsselbund, rammte einen der Metallstäbe in das Schloss der Stahltür vor ihnen und zog die Tür auf.
Hofmann unterdrückte einen heftigen Lachimpuls. Die Tür hätte einem Schneidbrenner ohne weiteres eine ganze Stunde standgehalten, doch im Inneren der Kammer erblickte der Kommissar höchstens dreißig Safes.
»Rentiert sich der Aufwand für Ihr Haus überhaupt? Ich meine, hoch kann eine Monatsmiete für einen Tresor doch nicht sein, oder?«
»Wie man es nimmt«, antwortete Ritter. »Wir sehen das hier als Serviceangebot für unsere Kunden. In der momentanen Rationalisierungswelle werden doch immer mehr Filialen geschlossen. Bald werden es die Kunden ausschließlich mit Automaten zu tun haben, wenn sie eine Bank aufsuchen. Oder es läuft alles über Telefon oder Computer. Schreckliche Aussichten.«
»Na, das dauert ja wohl noch eine Zeit«, murmelte Hofmann. »Können wir?«
»Aber gern. Herrn Peerens Safe befindet sich dort.«
Hofmann zückte den Schlüssel und öffnete. Bevor er jedoch den kastenartigen Inhalt herauszog, sah er seine Begleiterin durchdringend an.
»Oh, ich verstehe«, kicherte Frau Ritter. »Ich warte draußen.«
Als der Beamte allein war, trug er die Schatulle zu einem kleinen Tisch und hob den Deckel an. Aktenordner.
Hofmann pfiff leise durch die Zähne. Nur zu gern hätte er sich an Ort und Stelle über den Inhalt hergemacht, aber das kam natürlich nicht infrage. Mit den Fingerspitzen fasste er die Ordner an den äußersten Enden und bugsierte sie in seine mitgebrachten Taschen.
»Das wird Herrn Peeren aber gar nicht gefallen«, meinte Ritter, als Hofmann die Tresorkammer wieder verließ.
»Ich glaube kaum, dass er sich bei Ihnen beschweren wird«, erklärte Hofmann, hakte die Henkel der Beutel über seine Finger und schwang die Tasche auf den Rücken. »Sind ausschließlich Sie für die Tresore zuständig? Oder kommt jeder Ihrer Mitarbeiter hier rein?«
»Wo denken Sie hin? Nein, außer mir haben lediglich der Filialleiter und die Hauptkassiererin einen Schlüssel. Aber meistens begleite ich unsere Kunden.«
»Wie oft kam Herr Peeren vorbei?«
»Das kann ich Ihnen sogar ganz genau sagen«, antwortete Ritter. »Über jeden Besuch wird eine Eintragung gemacht. Warten Sie einen Moment.«
Sie trat in einen kleinen Nebenraum und kam mit einer kleinen Kladde zurück.
Hofmann fuhr seine Finger aus, aber Ritter schlug ihm spielerisch auf die Hand.
»Nicht doch, Herr Kommissar. Ihr Durchsuchungsbeschluss betrifft doch lediglich Herrn Peerens Tresor. Die anderen Kundennamen dürften Sie weniger interessieren.«
Der Beamte lächelte. »Vielleicht können Sie mir die Liste ja kopieren und die anderen Namen ausstreichen?«
»Das wäre machbar«, strahlte Ritter.
»Kam Herr Peeren immer allein?«
»Ja«, antwortete Ritter sofort. »Ein feiner Mensch. Immer so höflich und gut gelaunt.«
»Er erschien nie in Begleitung?«, vergewisserte sich Hofmann.
»Sicher nicht, immer allein. Wissen Sie, ungefähr alle zwei Wochen wollte er an seinen Tresor, meistens kam er kurz vor Mittag. An meinem letzten Geburtstag hat er mich sogar zum Essen eingeladen. Solche Kunden haben wir leider viel zu selten.«
»Hat er auch mal Unterlagen mit sich genommen?«
»Das kann ich Ihnen nicht mit Gewissheit beantworten, aber möglich wäre das schon gewesen. Manchmal hatte er einen dicken Aktenkoffer
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