Ein Tropfen Blut
Kollegen der Mordkommission schon einfacher – deren Opfer brauchten keine Hilfe mehr.
Die Kommissarin schaute erneut auf ihre Uhr und gähnte. Am liebsten hätte sie ihre Brocken zusammengepackt und Präsidium Präsidium sein lassen. Aber auf der anderen Seite des Flures hockte der Rest der Truppe in Gassels Büro. Besser, sie ließ sich noch mal blicken.
»Und, hat sie ihn erkannt?«, empfing sie Hofmann.
»Nee. Das heißt, sie ist sich nicht sicher.«
»Eher ja oder eher nein?«
»Berthold, selbst wenn der Papst in weißer Soutane über sie hergefallen wäre, die würde ihn nicht mit Sicherheit erkannt haben. Die Frau ist völlig neben der Spur.«
»Übrigens, das war saubere Arbeit heute«, meinte Gassel anerkennend. »Wie du Lacours Brötchengeber unauffällig gesteckt hast, dass der Knabe schon mal etwas unterschlagen hat, das war schon klasse.«
Schäfer strahlte. Gassel und Wielert hatten sie bis heute noch nicht geduzt. Langsam fühlte sie sich bei den Kollegen doch wohl.
»Och, das war doch nichts«, erklärte sie bescheiden. »Außerdem, genutzt hat es uns gar nichts. Ich hatte mehrere Male das Gefühl, der Typ würde uns gar nicht zuhören.«
»Unsinn«, widersprach Gassel. »Dem sind doch fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Würde mich nicht wundern, wenn Lacour da noch eine Nuss zu knacken bekommt. Die haben garantiert, nachdem wir weg waren, erst mal ihre eigenen Unterlagen geprüft.«
»Seid ihr denn weitergekommen?«, fragte Schäfer.
Der Raum sah aus wie ein Schlachtfeld. Hofmann hatte seine Beute aus Werner Peerens Schließfach in dieses Büro verfrachtet. Und sein erster Eindruck hatte nicht getrogen. Die Beamten hatten es mit höchst interessanten Unterlagen zu tun.
»Für ein Ermittlungsverfahren reicht es stapelweise«, setzte Gassel Schäfer in Kenntnis. »Leider nur gegen diesen Achmed. Und dafür ist es ja wohl ein bisschen spät.«
»Es sieht nach organisierter Geldwäsche aus«, ergänzte Katharina, ohne die Augen von ihrem Ordner zu nehmen. »Einmal im Monat hat dieser Peeren eine schöne Summe auf verschiedene Konten verteilt, die alle zu legalen Unternehmen gehören. Eine Snack-Bar, eine Münzwäscherei, zwei Sonnenstudios und so weiter und so weiter. Ob das nicht alles Briefkastenfirmen sind, müssen wir jedoch noch überprüfen.«
»Und woher hat er das Geld?«, fragte Schäfer. »Von seiner Tätigkeit als Kredithai?«
»Nein, dieses Geschäft hat er dafür in einem zu kleinen Umfang betrieben«, fuhr Katharina fort. »Vielleicht hatte Achmed gute Kontakte zu einigen Drogenbossen. Dieser ganze Packen hier ist ausschließlich Korrespondenz auf Türkisch, mit einigen wenigen nachträglichen Kommentaren in Deutsch. Wir brauchen einen Dolmetscher.«
»Ist das überhaupt Stoff für euch?«, zweifelte Annika.
»Nein, natürlich nicht«, erklärte Gassel müde. »Sobald wir das durchhaben, wandert das Zeug zur Abteilung organisierte Kriminalität.«
»Wie lange braucht ihr denn noch?«
»Wenn du uns hilfst, geht es schneller«, meinte Hofmann mit einem gekonnten Dackelblick.
»Meinetwegen«, seufzte Schäfer. »Aber vorher setz ich noch ‘nen Kaffee auf, einverstanden? Wo ist eigentlich Wielert?«
»Bei Kwiatkowski«, murmelte Gassel. »Er versucht sich in Schadensbegrenzung. Frau de Vries muss dem Kriminalrat wohl einige Takte am Telefon geflüstert haben.«
»Wegen gestern Abend?«, fragte Schäfer.
»Exakt. Aber wenigstens hat sie der Presse gegenüber die Schnauze gehalten«, grinste Hofmann.
Schäfer sicherte sich das letzte freie Eckchen an dem Schreibmaschinentisch. Auf die Idee, sich einfach einen Stapel Unterlagen zu greifen und zurück nach nebenan zu gehen, kam weder sie noch einer der anderen.
»Am besten fängst du mit dem Haufen da an«, empfahl Gassel. »Da haben wir noch gar nicht reingeschaut.«
»Okay«, nickte Annika und machte sich an die Arbeit.
Wenig später war ihr Gesicht vor Enttäuschung so lang wie das der anderen. Mit absoluter Zielsicherheit hatte sie einen Ordner geöffnet, in dem sich ausschließlich Jahre alte Belege des Finanzamtes befanden. Die Stempel der Steuerbehörde reichten stellenweise über zehn Jahre zurück.
Als sie den Umschlag mit den Kopien der Schuldscheine öffnete, war es zwanzig Minuten vor neun.
»Heiliger Strohsack«, flüsterte Schäfer, als ihr klar wurde, was sie da in der Hand hielt.
»Was hast du denn da?«, schaute Hofmann müde herüber.
»Schuldscheine. Von den Zockern.«
»Alter Hut«, winkte
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