Ein Tropfen Blut
stören, Sie haben sicher etwas Wichtiges zu besprechen.«
Damit drückte sie der Staatsanwältin einen flüchtigen Kuss auf die Wange und wackelte aufreizend Richtung Flur. Bevor sie endgültig aus dem Zimmer war, warf sie Katharina noch einen schnellen Blick zu.
»Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen«, bellte de Vries. »Ja, ich bin lesbisch und lebe mit meiner Freundin zusammen. Und ja, ich mache keinen Hehl daraus. Können wir jetzt zur Sache kommen?«
»Natürlich«, antwortete Wielert, als hätte de Vries nur den letzten Satz gesagt. »Herr Kwiatkowski informierte uns, dass Sie für morgen eine Pressekonferenz planen…«
»Korrekt«, nickte de Vries. »In meinen Augen ist es an der Zeit, die Bevölkerung darüber zu informieren, dass diese Vergewaltigungstaten ein Ende haben. Drei Opfer waren ja auch mehr als genug.«
»Sind Sie sicher, da keinen schlimmen Fehler zu begehen?«
De Vries machte sich auf einem ledernen Fernsehsessel lang und schlug die Beine übereinander. »Selbstverständlich. Sämtliche Indizien sprechen doch dafür, dass der Fall gelöst ist. Und seit Herr Heinzel tot ist, hat es keine weitere Tat gegeben.«
»In den paar Tagen…«, meinte Katharina.
»Bei der bisherigen Tatfrequenz ist das ein sehr wichtiger Punkt«, unterbrach sie die Staatsanwältin.
»Ich glaube dennoch, Sie machen einen Fehler«, erklärte Wielert kopfschüttelnd. »Zugegeben, die Indizienkette spricht bisher gegen unseren verstorbenen Kollegen. Aber bewiesen ist noch gar nichts.«
»Erstens«, dozierte de Vries, als wäre sie Hauptrednerin auf einer Fortbildung, »sind das nicht nur ein paar Indizien, sondern unwiderlegbare Beweise. Und zweitens beabsichtige ich keineswegs eine abschließende Stellungnahme abzugeben. Es handelt sich um einen Routinetermin mit den Vertretern der Presse. Und bei der Gelegenheit werde ich selbstverständlich über den Stand der Ermittlungen Auskunft geben.«
»Und Heinzel restlos verbrennen«, stieß Gassel leise hervor.
»Machen Sie sich doch nicht lächerlich«, begehrte de Vries auf. »Ihre Loyalität in Ehren, aber sehen Sie doch mal über den Tellerrand persönlicher Beziehungen hinweg. Wenn Sie nicht jahrelang mit dem Täter zusammengearbeitet hätten, würden Sie morgen freudestrahlend neben mir sitzen wollen.«
»Ach, darum geht es Ihnen also?«, mischte sich Katharina ein. »Eitle Selbstdarstellerin verkauft sich den Reportern als die neue Superfrau in der Verbrechensbekämpfung.«
De Vries wurde rot. »Was erlauben Sie sich?«
»Frau Thalbach hat es zwar reichlich drastisch ausgedrückt«, versuchte Wielert zu beschwichtigen, »aber letzten Endes läuft es doch darauf hinaus. Wie ich gerade im Auto zu meinen Mitarbeitern sagte, halte ich Herrn Heinzel die Unschuldsvermutung zugute. Sicher, es spricht vieles dafür, dass er die Taten begangen hat. Aber ein stichhaltiger Beweis fehlt.«
»Unterstellen Sie mir etwa, ich wolle absichtlich meine Dienstpflichten verletzen?«, ereiferte sich die Staatsanwältin. »Ein Geständnis können wir nun mal nicht mehr bekommen.«
»Zu unserer Arbeit gehört noch etwas anderes als eine lückenlose Beweiskette«, meinte Wielert. »Intuition. Und im Vergleich der Erfolgsquoten schneidet Berlin eindeutig schlechter ab als Bochum.«
De Vries richtete sich abrupt in ihrem Sessel auf. »Anscheinend ist es hier Methode, Ermittlungsergebnisse zu unterschlagen und unangenehme Wahrheiten unter den Teppich zu kehren«, giftete sie. »Diese Zeiten sind ein für alle Mal vorbei.«
»Niemand will hier etwas unter den Teppich kehren«, sagte Gassel ruhig. »Und von einem derartig unkooperativen Vorgehen profitiert niemand.«
De Vries verharrte noch einen Moment in ihrer unbequemen Haltung, dann lehnte sie sich argwöhnisch zurück. »Nach den ganzen Ungereimtheiten, die mir bekannt geworden sind, befinden Sie sich wohl kaum in einer Position, aus der heraus Sie Forderungen stellen könnten.«
»Es geht nicht um Forderungen«, erklärte Wielert. »Wir wollten Sie lediglich bitten, morgen nicht allzu sehr ins Detail zu gehen. Nicht, bis wir endgültige Gewissheit haben.«
De Vries lachte leise auf und schüttelte den Kopf. »Das ist doch die Höhe. Was hoffen Sie denn, noch aus dem Hut zaubern zu können?«
»Möglich ist alles«, entgegnete Katharina schnell.
Die Staatsanwältin holte tief Luft und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Sind Sie an etwas dran?«
Wielert legte den Kopf ein wenig zur Seite. »Unter
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