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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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wird Euch niemals verweigert, bis Ihr selbst sie aufgebt.«
    Sie sah wieder in den Schnee und den langsam dunkler werdenden Himmel hinaus, der schlechteres Wetter und die nahende triste Winternacht ankündigte.
    »Ich bin bereit«, sagte sie, öffnete eine Truhe an der Wand und zog einen Mantel mit Kapuze, einen wollenen Rock und ein paar Lederschuhe heraus, die sie sonst sicher nur beim Reiten getragen hatte.
    »Meine Tochter Joanna, die mir schon über den Kopf wächst, ist vor einer Woche aus diesem Fenster geklettert, weil sie mit Margaret gewettet hatte, sie sei nicht zu fett geworden. Ich bin ganz gewiß dünn genug. Was sagst du nun? Fehlt es mir jetzt noch an Mut?«
    »Es hat Euch nie daran gefehlt, Mylady«, antwortete er, »nur der Sporn, um ihn anzutreiben und das Wagnis zu unternehmen. Ihr kennt den Wald unterhalb Eures Weidelandes?«
    »Ich glaube ja«, sagte sie. »Damals, als ich noch frei war, bin ich oft dort geritten.«
    »Dann verriegelt Eure Tür, sobald ich hinausgegangen bin, steigt aus dem Fenster und geht zum Wald. Ich werde darauf achten, daß der Weg frei ist und alle im Haus sind, und Sir Oliver sagen, Ihr hättet mich entlassen und wünschtet allein zu sein.«
    »Und die Kinder? Joanna wird Sybell nachäffen, wie sie es in den letzten Wochen unentwegt tat, aber Margaret …« Sie verstummte, und ihr Mut verließ sie. »Wenn ich Margaret verliere, habe ich nichts mehr.«
    »Nur Euren Lebenswillen«, sagte er. »Wenn Ihr Euch den bewahrt, so bewahrt Ihr Euch alles. Auch Eure Kinder.«
    »Geh rasch, bevor ich meinen Entschluß ändere«, sagte sie.
    Ich hörte, wie sie hinter uns die Türe verriegelte; nun sah ich Roger an und fragte mich, ob er sich bewußt war, was er getan hatte, als er sie drängte, ihr Leben und ihre Zukunft bei einer Eskapade zu riskieren, die unweigerlich fehlschlagen mußte. Im Hause war es still geworden, und bis auf die beiden Kinder und die Hunde befand sich niemand im Gang. Joanna drehte und wendete sich vor dem Spiegel; ihr langes Haar war in Zöpfe geflochten, und sie hatte eine Schleife darum gebunden, die ich kurz zuvor noch in Sybells Haar gesehen hatte. Margaret saß rittlings auf einer Bank, die Pelzmütze ihres Vaters auf dem Kopf und seine lange Peitsche in der Hand. Als wir eintraten, sah sie Roger streng an.
    »Hör gut zu«, sagte sie. »Ich muß mit einer Bank vorliebnehmen und mit geborgter Peitsche. Ich erinnere dich nicht noch einmal an dein Versäumnis, mein Herr.«
    »Das braucht Ihr auch nicht«, antwortete er. »Ich kenne meine Pflicht. Wo ist Euer Vater?«
    »Er ist oben«, antwortete das Kind. »Er hat sich in den Finger geschnitten, als er die Otterpfote abtrennte, und Sybell verbindet ihn.«
    »Er wird es dir nicht danken, wenn du ihn störst«, sagte Joanna. »Er schläft gern vor dem Abendessen, und Sybell singt ihm vor. So schläft er rascher ein und wacht mit größerem Appetit auf. So sagt er wenigstens.«
    »Ich bezweifle es nicht«, meinte Roger. »In diesem Falle dankt bitte Sir Oliver in meinem Namen und wünscht ihm gute Nacht. Eure Mutter ist müde und möchte niemanden sehen. Werdet Ihr es ihm so sagen?«
    »Vielleicht«, erwiderte Joanna, »wenn wir es nicht vergessen.«
    »Ich werde es ausrichten«, versicherte Margaret, »und ich werde ihn auch aufwecken, wenn er bis sechs Uhr nicht herunterkommt. Gestern abend haben wir erst um sieben gegessen, und ich mag nicht, wenn es so spät wird.«
    Roger wünschte beiden gute Nacht, ging hinaus und schloß die Tür leise hinter sich. Er schlich hinter das Haus und lauschte. Aus der Küche kamen Geräusche, aber Fenster und Türen waren festgeschlossen und die Fensterläden verriegelt. In den Wirtschaftsgebäuden heulten die Hunde. In einer halben Stunde oder früher würde es dunkel werden; das Gehölz unter dem Feld war in Schnee gehüllt und nur noch undeutlich zu erkennen, und die Hügel gegenüber wirkten unter dem grauen Himmel kahl und trostlos. Die Spuren, die wir beim Aufstieg zum Haus hinterlassen hatten, waren fast zugeschneit, aber daneben sah man frische Fußstapfen, dicht hintereinander wie die eines Kindes, das einer Tänzerin gleich auf den Zehenspitzen läuft. Roger deckte sie mit langen Schritten zu und wühlte den Schnee auf, während er rasch auf das Gehölz zueilte. Wenn jemand hinaustrat, bevor es dunkel wurde, so würde er nur Rogers Spuren sehen, und auch die würden nach einer Stunde verwischt sein.
    Isolda wartete mit dem zahmen Eichhörnchen auf dem Arm am

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