Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
Vom Netzwerk:
aus erster Ehe –, stand lächelnd am Herd. Sie küßte Sir Oliver nicht, sondern schmollte reizend und ein wenig ungeduldig, als sie sah, daß er nicht allein kam.
    »Mein Mündel Sybell, die meinen Kindern bessere Manieren beibringen wird als ihre Mutter«, sagte Carminowe.
    Der Verwalter verbeugte sich und wandte sich zu den beiden Kindern; diese küßten zuerst ihren Vater und gingen dann auf Roger zu, um ihn zu begrüßen. Joanna, die ältere, war gewachsen, und man spürte die ersten Anzeichen jungmädchenhafter Allüren, wie ihr Vater gesagt hatte, denn sie errötete, schüttelte das lange Haar aus den Augen und kicherte, aber die jüngere, der noch ein paar Jahre blieben, bis auch sie für den Heiratsmarkt heranreifte, streckte Roger ihre kleine Hand entgegen und gab ihm einen Klaps auf das Knie.
    »Du hast mir das letzte Mal ein neues Pony versprochen und eine Peitsche, wie dein Bruder Robbie sie hat«, sagte sie. »Mit einem Mann, der nicht Wort hält, will ich nichts zu tun haben.«
    »Das Pony erwartet Euch und die Peitsche dazu, sobald der Schnee geschmolzen ist und Alice Euch durch das Tal hinüberbringt«, erwiderte Roger ernst.
    »Alice ist nicht mehr bei uns«, antwortete das Kind. »Wir haben jetzt die hier, die paßt auf uns auf.« Sie wies verächtlich auf das Mündel Sybell. »Und sie ist zu groß, um hinter dir oder Robbie im Damensattel zu reiten.«
    Während sie sprach, sah sie ihrer Mutter so ähnlich, daß ich sie deswegen liebgewann, und Roger mußte die Ähnlichkeit auch bemerkt haben, denn er lächelte und strich ihr über das Haar; aber der Vater befahl dem Kind gereizt, den Mund zu halten, sonst werde sie ohne Abendessen zu Bett geschickt.
    »Hier, trockne dich am Feuer«, sagte er barsch zu Roger und stieß die Hunde beiseite. »Und du, Joanna, sag deiner Mutter, der Verwalter sei von Tywardreath herübergekommen und bringe Nachricht von seiner Herrin, falls sie so gnädig ist, ihn einzulassen.«
    Er nahm die Otterpfote aus dem Überrock und ließ sie vor Sybell hin und her baumeln. »Wollen wir sie Isolda geben, oder willst du sie tragen, um dich warm zu halten?« fragte er neckend. »Sie ist bald trocken und pelzig und weich in deinem Rock, gut wie eine Männerhand an einem kalten Abend.«
    Sie schrie affektiert auf und wich zurück, und er verfolgte sie lachend. Ich sah Rogers Gesicht an, daß er die Beziehung zwischen Vormund und Mündel durchschaute. Der Schnee blieb vielleicht noch tage- oder wochenlang auf den Hügeln; aber im Augenblick zog den Herrn des Hauses wohl kaum etwas nach Carminowe.
    »Meine Mutter wünscht dich zu sehen, Roger«, sagte Joanna, die eben zurückgekehrt war, und wir gingen durch einen Flur in ihr Zimmer.
    Isolda stand am Fenster und blickte in den Schnee hinaus; zu ihren Füßen saß ein rotes Eichhörnchen mit einer kleinen Glocke um den Hals und griff mit den Pfoten nach ihrem Kleid. Als wir eintraten, drehte sie sich um und starrte uns an; mir erschien sie so schön wie zuvor, aber ich mußte doch feststellen, daß sie viel magerer und blasser geworden war und über der Stirn eine weiße Strähne das goldene Haar durchzog.
    »Ich freue mich, dich zu sehen, Roger«, sagte sie. »Zwischen unseren Häusern hat es in der letzten Zeit wenig Verbindung gegeben, und wir sind, wie du wohl weißt, selten hier in Tregest. Wie geht es meiner Base? Bringst du Nachricht von ihr?«
    Ihre Stimme, die früher einen klaren, vollen, beinahe trotzigen Klang hatte, war heute flach und tonlos. Sie bemerkte, daß Roger sie persönlich sprechen wollte, und bat ihre Tochter Joanna, sie allein zu lassen.
    »Ich bringe keine Nachricht, Mylady«, sagte Roger ruhig. »Die Familie war in Trelawn, als ich zum letztenmal von ihr hörte. Ich komme, um Euch meine Aufwartung zu machen; Rob Rosgofs Witwe hat mir gesagt, daß Ihr hier seid und es Euch nicht gutgeht.«
    »Ich bin so wohl, wie ich von nun an sein kann«, antwortete sie, »und ob hier oder in Carminowe – die Tage bleiben sich gleich.«
    »Das ist nicht wohl gesprochen, Mylady«, antwortete Roger. »Ihr hattet einst mehr Mut.«
    »Einst ja, aber damals war ich jünger … Ich kam und ging, wie es mir beliebte, denn Sir Oliver war viel öfter in Westminster. Jetzt – vielleicht aus Bosheit, weil er Sir Johns Stellung als Aufseher der königlichen Wälder und Parks in Cornwall nicht erhielt, wie er gehofft hatte – vergeudet er seine Zeit mit Frauen. Seine gegenwärtige Geliebte ist kaum mehr als ein Kind. Hast du

Weitere Kostenlose Bücher