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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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auf schnellstem Wege von Devon hergekommen waren. Die dritte Person, die auf einem niedrigen Schemel saß, war mir nicht unbekannt; es war mein Mädchen Isolda. Sie hatte sich auf ihre Weise auf die bevorstehende Trauer eingestellt und war lila gekleidet; aber ihr Kleid schimmerte silbrig, und ein kleines Band, das ihr geflochtenes Haar zusammenhielt, war überaus sorgfältig angebracht. Im Raum herrschte eine spürbare Spannung, und der tiefe Groll in Mathildas Gesicht verhieß nichts Gutes.
    »Wir warten schon lange auf dich.« Mit diesen Worten empfing sie Otto Bodrugan, während er auf sie zuging. »Dauert es denn so viele Stunden, die Bucht zu durchsegeln, oder hast du dich absichtlich aufgehalten, damit deine Männer fischen konnten?«
    Er küßte ihr die Hand, überhörte den Vorwurf und wechselte einen Blick mit dem Mann hinter ihrem Stuhl. »Wie geht es dir, William?« fragte er. »Eine Stunde von meinem Ankerplatz hierher, das heißt schnell segeln, da der Wind querab ging. Wenn wir geritten wären, hätte es länger gedauert.« William nickte mit einem kaum merklichen Achselzucken; er war die Launen seiner Frau gewohnt. »Das dachte ich mir ungefähr«, murmelte er. »Du hättest nicht eher kommen können, und außerdem kannst du sowieso nichts tun.«
    »Nichts tun?« wiederholte Mathilda. »Er kann uns beistehen, wenn die Zeit kommt, und seine Stimme mit unserer vereinen. Schick den französischen Mönch vom Bett fort und den betrunkenen Pfarrer aus der Küche. Wenn er seine Autorität als Bruder nicht behaupten und Joanna zur Raison bringen kann, so wird es niemand können.«
    Bodrugan wandte sich Isolda zu. Er berührte kaum ihre Hand, als er sie begrüßte, und sie sah auch nicht lächelnd zu ihm auf. Diese Gezwungenheit war gewiß Vorsicht; ein vertrauliches Wort hätte sogleich Anlaß zu Gerede gegeben.
    Und draußen war Frühling. Mein voriger Besuch hatte am Martinstag, am 11. November stattgefunden. Seit der Audienz in der Priorei anläßlich des bischöflichen Besuchs mußten also sechs Monate vergangen sein, und diese hatte ich bei meinem Sprung durch die Zeit übergangen.
    »Wo ist Joanna?« fragte Bodrugan.
    »Oben im Zimmer«, antwortete William, und jetzt bemerkte ich seine Ähnlichkeit mit Isolda. William Ferrers war ihr mindestens zehn, vielleicht fünfzehn Jahre älterer Bruder; sein Gesicht war zerfurcht, das Haar leicht ergraut. »Du weißt, wie schwierig es ist«, fuhr er fort. »Henry möchte niemanden als den französischen Mönch Jean um sich haben, läßt sich nur von ihm behandeln und weigert sich, den Arzt einzulassen, den wir aus Devon mitgebracht haben und der ein angesehener Mann ist. Die Behandlung blieb erfolglos, er liegt schon im Todeskampf, und sein Ende ist nahe – wahrscheinlich tritt es in wenigen Stunden ein.«
    »Wenn Henry es so wünscht und er nicht leidet, warum beklagt ihr euch dann?« fragte Bodrugan.
    »Weil es nicht recht ist«, rief Mathilda. »Henry hat sogar den Wunsch geäußert, in der Kapelle der Priorei begraben zu werden, und dem sollte man sich um jeden Preis widersetzen. Wir alle kennen den schlechten Ruf der Priorei, die Lässigkeit des Priors, die Lasterhaftigkeit und den Ungehorsam der Mönche. Ein solcher Ruheplatz für einen Menschen von Henrys Rang würde uns alle in den Augen der Welt lächerlich machen.«
    »Wessen Welt?« fragte Bodrugan. »Umfaßt denn deine Welt ganz England oder nur Devon?«
    Mathilda wurde feuerrot. »Wir wissen sehr wohl, wem du vor sieben Jahren Treue schworst«, sagte sie. »Du hast eine ehebrecherische Königin gegen ihren Sohn, den rechtmäßigen König, unterstützt. Offensichtlich bist du allem geneigt, was französisch ist, von den feindlichen Streitkräften, sollten sie einmal den Kanal überqueren, bis zu den liederlichen Mönchen, die einem fremden Orden dienen.«
    Ihr Gemahl legte ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter. »Wozu alte Wunden öffnen?« sagte er. »Daß Otto an jenem Aufstand teilnahm, geht uns jetzt nichts an. Aber«, er blickte zu Bodrugan hinüber, »in einem Punkt hat Mathilda recht. Es wäre vielleicht undiplomatisch, wenn ein Champernoune sich unter französischen Mönchen begraben ließe. Besser wäre es, wenn du ihn in Bodrugan bestatten ließest und darauf achtetest, daß Joanna einen Teil der Einkünfte deines Gutes als Mitgift erhält. Mir wäre es am liebsten, wenn er in Bere bestattet würde, wo wir augenblicklich gerade die Kirche wieder aufbauen. Immerhin ist Henry mein

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