Ein Tropfen Zeit
los und seufzte, als stünde ich vor einem hartnäckig begriffsstutzigen Kind und sei am Ende meiner Geduld.
»Ich bin nirgends hingegangen«, beharrte ich, wobei ich das nirgends betonte. »Ich wollte nur an der Küste entlangfahren und ein oder zwei Orte aufsuchen, die mich zufällig interessieren.«
»Das klingt überaus einleuchtend«, sagte sie. »Warum hält der Professor hier nicht ein Teach-in ab, mit dir als erstem Assistenten? Das solltest du mal vorschlagen. Ich wäre euch natürlich im Wege und würde mich aus dem Staube machen. Aber die Jungen würde er wahrscheinlich gern hierbehalten.«
»Um Himmels willen«, sagte ich, indem ich die Tür zum Eßzimmer öffnete, »du benimmst dich genau wie die betrogene Ehefrau in den Zeitungswitzen. Das Einfachste wäre doch, Magnus gleich morgen früh anzurufen und ihm zu sagen, daß du dich scheiden lassen willst, weil du mich im Verdacht hast, ein Techtelmechtel mit einer Fischerstochter zu haben! Er wird sich bestimmt totlachen!«
Ich ging ins Eßzimmer und setzte mich an den Tisch. Die Soße war schon fast kalt. Ich goß Bier in einen Krug, um den Braten hinunterzuspülen, bevor ich mich über die Apfeltorte hermachte. Mrs. Collins brachte taktvoll schweigend den Kaffee herein und verschwand schnell wieder. Die Jungen standen unschlüssig auf dem Weg vor dem Haus und traten nach Kieselsteinen. Ich stand auf und ging ans Fenster.
»Ich gehe später mit euch baden«, rief ich. Ihre Gesichter hellten sich sogleich auf, und sie liefen zur Veranda hinauf. »Später«, wiederholte ich. »Laßt mich meinen Kaffee trinken und Vita fragen, was sie vorhat.« Ihre Freude erlosch. Mama würde sich gewiß nicht in Bewegung setzen und vermutlich den ganzen Plan vereiteln. »Keine Angst, ich verspreche es euch.«
Dann ging ich in die Bibliothek. Vita lag mit geschlossenen Augen auf dem Sofa. Ich kniete neben ihr nieder und küßte sie. »Komm, sei nicht so ein Dickkopf«, sagte ich. »Für mich gibt es auf der Welt nur ein Mädchen, das weißt du. Ich kann jetzt nicht mit dir nach oben gehen, um es dir zu beweisen, weil ich den Jungen versprochen habe, mit ihnen schwimmen zu gehen, und du willst doch nicht, daß wir ihnen den Tag verderben, nicht wahr?«
Sie öffnete die Augen. »Du hast es wenigstens fertiggebracht, mir meinen zu verderben!«
»Unsinn! Und mein verpatztes Wochenende mit der Fischerstochter? Soll ich dir sagen, was ich mit ihr vorhatte? Eine Striptease-Show in Newquay. Und jetzt sei still.« Ich gab ihr noch einen herzhaften Kuß. Sie reagierte kaum, stieß mich aber wenigstens nicht zurück.
»Ich wünschte, ich könnte dich verstehen«, sagte sie.
»Sei froh, daß du das nicht kannst. Männer können Frauen, die sie verstehen, nicht ertragen. Das wäre furchtbar eintönig. Komm mit zum Baden. Unter den Klippen liegt ein schöner, völlig leerer Strand. Es ist glühend heiß und wird nicht regnen.«
Sie öffnete beide Augen. »Was hast du denn eigentlich heute morgen getan, während wir in der Kirche waren?«
»Ich bin in einem verlassenen Steinbruch, eine Meile vom Dorf entfernt, herumgegangen. Er hat etwas mit der ehemaligen Priorei zu tun, und Magnus und ich sind beide an der Stätte interessiert. Dann bekam ich den Wagen nicht in Gang, weil ich ziemlich ungeschickt in einem Graben geparkt hatte.«
»Es ist mir neu, daß dein Professor nicht nur Naturwissenschaftler, sondern auch Historiker ist.«
»Das klingt schon besser, wie? Es ist doch etwas anderes als die Embryos in den Flaschen. Ich unterstütze ihn dabei.«
»Du unterstützt ihn bei allem, darum nützt er dich auch aus.«
»Ich bin von Natur aus schon immer hilfsbereit gewesen. Und nun komm, die Jungen können es nicht mehr abwarten. Geh und mach dich schön in deinem Bikini, aber zieh etwas drüber, sonst regen sich die Kühe auf.«
»Die Kühe?« schrie sie fast. »Ich gehe über kein Feld mit Kühen. Nein, besten Dank.«
»Es sind zahme Kühe«, sagte ich, »sie werden mit einem bestimmten Gras gefüttert, so daß sie nur ganz langsam gehen können. Cornwall ist berühmt dafür.«
Offenbar glaubte sie mir. Ob sie mir auch die Geschichte mit dem Steinbruch glaubte, blieb dahingestellt. Für den Augenblick hatte ich sie besänftigt. Man mußte die Sache auf sich beruhen lassen …
Wir verbrachten einen langen, faulen Nachmittag am Strand. Nach dem Baden, als die Jungen noch vergeblich nach Garnelen jagten, streckten wir uns beide auf dem gelben Sand aus und ließen ihn durch
Weitere Kostenlose Bücher