Ein Tropfen Zeit
Provinz spielen.«
»Wenn es so kommt, kann ich es auch nicht verhindern«, wandte Bodrugan ein.
»Als ihr Bruder könntest du wenigstens dafür sorgen, daß der Mönch mit seinen Gifttränken nicht unaufhörlich in ihrer Nähe ist!«
»Joanna war schon immer sehr eigensinnig. Sie tat stets, was ihr beliebt. Ich kann sie nicht ständig bewachen. Vielleicht gebe ich Roger einen Wink.«
»Dem Verwalter? Der ist ebenso mit dem Mönch im Bunde wie sie«, erwiderte Isolda verächtlich. »Ich warne dich noch einmal, Otto, traue ihm nicht. Weder im Hinblick auf sie noch auf uns. Noch hält er unsere Verabredungen geheim – aber nur, weil es ihm in den Plan paßt.«
Wieder sah ich Roger an, und ich bemerkte, wie seine Miene sich verdüsterte. Ich wünschte, jemand würde ihn fortrufen, so daß er die beiden nicht länger belauschen konnte. Es mußte ihn ja gegen Isolda aufbringen, wenn sie sich so deutlich und abfällig über ihn äußerte.
»Im vergangenen Oktober hielt er zu mir, und er wird es wieder tun«, sagte Bodrugan.
»Er hielt zu dir, weil er hoffte, damit etwas zu gewinnen«, antwortete Isolda. »Jetzt kannst du nur noch wenig für ihn tun. Warum sollte er also seine Stellung gefährden? Wenn er vor Joanna ein Wort verlauten läßt und diese es Oliver weitersagt, sind wir verloren.«
»Oliver ist in London.«
»Ja, heute vielleicht. Aber die Bosheit findet stets ihren Weg. Morgen nach Bere oder Bockenod. Am nächsten Tag nach Tregest oder Carminowe. Oliver ist es völlig gleich, ob ich lebe oder sterbe, er hat überall, wo er hinkommt, Frauen, aber eine treulose Ehefrau ist für seinen Stolz untragbar. Das weiß ich. – Wie spät ist es?« fragte sie dann.
»Dem Stand der Sonne nach bald sechs«, antwortete er. »Warum?«
»Die Kinder müßten sich mit Alice auf den Weg machen«, sagte sie. »Möglicherweise kommen sie her und suchen mich, und sie dürfen dich hier auf keinen Fall sehen.«
»Roger ist bei ihnen. Er wird schon darauf achten, daß sie uns allein lassen.«
»Aber ich muß ihnen Gute Nacht sagen, eher reiten sie nicht fort.«
Sie ging, und gleichzeitig schlüpfte der Verwalter aus dem dunklen Winkel hervor und eilte durch die Halle. Ich folgte ihm verwundert. Also wohnten sie nicht im Haus, sondern irgendwo anders, in Bockenod vielleicht. Aber bis dahin wäre es ein ziemlich langer Ritt für einen Spätnachmittag gewesen, und die Kinder wären kaum vor Einbruch der Dämmerung angekommen.
Wir eilten zu den Ställen. Dort sattelte Rogers Bruder Robbie die Ponys, half den kleinen Mädchen aufsteigen und lachte und scherzte mit dem Kindermädchen, das hoch zu Roß saß und Mühe hatte, das Tier zu bändigen.
»Es wird schon ruhig gehen, wenn ihr beide auf ihm sitzt«, rief Roger. »Robbie wird dich warmhalten. Vor dir oder hinter dir? Sag, was dir lieber ist. Ihm ist es gleich, nicht wahr, Robbie?«
Das Mädchen, eine Bauerntochter mit glühenden Wangen, gluckste vergnügt, meinte aber, sie könne ebensogut allein reiten. Roger gab stirnrunzelnd ein Zeichen, und das Gekicher hörte auf, als Isolda im Hof erschien. Er trat an ihre Seite, den Kopf ehrerbietig gesenkt.
»Die Kinder sind ganz sicher bei Robbie«, sagte er. »Aber wenn es Euch lieber ist, kann ich sie auch begleiten.«
»Es ist mir lieber«, antwortete sie kurz. »Danke.«
Er verneigte sich, und sie ging zu den Kindern, die auf ihren Ponys saßen und sie mühelos bändigten.
»Ich bleibe noch ein bißchen hier und komme später nach«, sagte sie zu ihnen und küßte sie. »Schlagt nicht unterwegs auf die Ponys ein, damit sie schneller laufen. Und tut, was Alice euch sagt.«
»Wir tun, was er sagt«, erwiderte die Jüngste und deutete mit ihrer kleinen Peitsche auf Roger, »sonst verdreht er uns die Zungen, um zu sehen, ob sie schwarz werden.«
»Das kann ich mir denken«, antwortete Isolda. »Er weiß, wie man Leute zum Schweigen bringt.«
Der Verwalter lächelte etwas gezwungen, aber sie sah ihn nicht an. Dann nahm er die Zügel der Ponys, führte die Tiere über den Hof und bedeutete Robbie, ihm mit dem Kindermädchen zu folgen. Isolda ging bis zum Tor mit; hier schwankte ich zwischen Gehorsam und Neigung, mußte aber dem Zwang nachgeben und hinter Rogers kleiner Gruppe hergehen. Mein Verlangen trieb mich, Isolda anzusehen, als sie allein stehenblieb und den Kindern nachwinkte, ohne etwas von meiner Nähe zu ahnen.
Ich wußte, daß ich sie nicht berühren durfte. Ich wußte, daß sie dann noch nicht einmal einen
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