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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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unsere Finger rinnen. Es herrschte Frieden.
    »Hast du dir schon Gedanken über die Zukunft gemacht?« fragte sie plötzlich.
    »Die Zukunft?« wiederholte ich. Ich hatte über die Bucht hinausgestarrt und mich gefragt, ob Bodrugan wohl nach dem Abschied von Isolda in jener Nacht noch mit der Flut hinausgesegelt war. Er hatte Chapel Point erwähnt. Früher war Kapitän Lane mit uns von Fowey über die Bucht gesegelt und hatte uns Chapel Point gezeigt, daß an der Hafenseite der nächsten Stadt ins Meer hineinragte. Bodrugans Haus mußte irgendwo ganz in der Nähe gestanden haben. Vielleicht existierte der Name noch. Dann mußte ich ihn auf der Autokarte finden.
    »Ja«, sagte ich, »das habe ich. Wenn es morgen schön ist, gehen wir segeln. Du kannst wirklich nicht seekrank werden, wenn es so ruhig bleibt wie heute. Wir segeln über die Bucht und ankern drüben vor dem Festland. Wir nehmen das Mittagessen mit.«
    »Fein. Aber ich meine nicht die nahe Zukunft, ich meine die fernere.«
    »Ach das? Nein, Liebling, ehrlich gesagt, nein. Ich hatte so viel damit zu tun, mich hier einzuleben. Wir wollen nichts übereilen.«
    »Das ist ja alles ganz schön und gut«, sagte sie, »aber Joe kann nicht ewig warten. Ich glaube, er hofft, bald von uns zu hören.«
    »Ich weiß. Aber ich muß ganz mit mir im reinen sein. Für dich ist es leicht. Es ist deine Heimat. Aber es ist nicht meine. Du weißt, alte Bäume …«
    »Aber deine Stellung in London hast du doch schon aufgegeben. Also gibt es nichts zu bedenken.«
    Was die praktische Seite anbelangte, hatte sie recht.
    »Du mußt irgend etwas tun«, fuhr sie fort, »sei es in England oder in den Vereinigten Staaten. Und Joes Angebot abzulehnen, solange dir niemand hier etwas Vergleichbares in Aussicht gestellt hat, wäre verrückt. Ich gebe allerdings zu, daß ich voreingenommen bin«, sagte sie und legte ihre Hand in meine, »und ich wäre glücklich, wenn ich zu Hause leben könnte. Aber nur, wenn du es auch willst.«
    Ich wollte nicht, das war der Haken. Und ich wollte auch keine ähnliche Arbeit, weder eine literarische Agentur noch einen Verlag in London. Es war das Ende eines Weges, das Ende einer Epoche in meinem Leben. Ich konnte nicht für die Zukunft planen. Noch nicht.
    »Sprich nicht weiter davon, Liebling«, sagte ich. »Wir wollen jeden Augenblick so nehmen, wie er kommt. Heute, morgen … Ich werde bald ernsthaft darüber nachdenken, das verspreche ich dir.«
    Sie seufzte, ließ meine Hand los und suchte in der Tasche ihres Bademantels nach einer Zigarette. »Wie du meinst«, sagte sie, und die leichte Hebung der letzten Silbe bewies, daß sie ganz und gar nicht zufrieden war. »Aber gib mir nicht die Schuld, wenn Joe dich auf dem trockenen läßt.«
    Die Jungen kamen mit ihren Trophäen angelaufen und zeigten uns Seesterne, Muscheln und einen riesigen toten Krebs, der bereits stank. Der Augenblick der Wahrheit war vorbei. Es war Zeit, die Badeutensilien wieder einzusammeln und an den Aufbruch zu denken. Während ich hinter den anderen herging, blickte ich noch einmal auf die Bucht zurück. Die Küste zeichnete sich deutlich ab, und die weißen Häuser am Rand von Chapel Point, etwa zwölf Kilometer vor mir, lagen in der Abendsonne. Was Isolda wohl machte? Gewiß war sie den Kindern später nachgeritten, als Bodrugan fortgesegelt war. Aber wohin? Nach Bockenod, wo der Bruder ihres Mannes, der selbstgefällige Sir John, wohnte? Das war zu weit. Irgendein Glied fehlte noch in meiner Kette. Sie hatte einen anderen Namen erwähnt, der mit Tre anfing. Ich mußte auf der Karte nachsehen. Die Schwierigkeit bestand darin, daß der Name jedes zweiten Bauernhauses in Cornwall mit Tre begann. Welches Gut war es gewesen? Wo hatten Isolda und ihre beiden Töchter in jener Nacht geschlafen?
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich das noch oft schaffe«, klagte Vita. »Mein Gott, was für ein Aufstieg! Das erinnert ja an die Skihänge von Vermont. Gib mir deinen Arm.«
    Sie hatten die Furt unterhalb der Mühle überschritten und waren nach rechts abgebogen. Dann hatte ich sie nicht mehr gesehen, weil das Auto mich beinahe überfahren hätte. Und Roger war zu Fuß. Bei Flut konnte man die Furt nicht mehr passieren. Ich versuchte mich zu erinnern, ob unterhalb der Mühle ein Boot gelegen hatte, mit dem er hätte übersetzen können.
    »Nach so viel Bewegung und frischer Luft müßte ich heute nacht gut schlafen«, meinte Vita.
    »Ja«, sagte ich.
    Ja, es hatte ein Boot

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