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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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früher, daß nach der Boje bei Cannis und Gribbin Head der Westwind heftig die Flut peitschte, und unser Boot schoß rasch dahin – eine Freude für den Rudergänger, der mit ganzem Herzen bei der Sache war –, legte sich dabei aber so schräg, daß der Passagier an der Leeseite nur wenige Zentimeter über der Wasserfläche saß. In diesem Falle war der Passagier Vita.
    »Wäre es nicht besser, wenn du den Mann dort steuern ließest?« fragte sie nervös, nachdem das Boot dreimal zu stark gewippt hatte – das war meine Schuld, ich steuerte zu dicht am Wind –, und dabei an der Leeseite unter Wasser kam.
    »Durchaus nicht«, sagte ich vergnügt. »Kriech unter dem Mast durch und setz dich auf die Windseite.«
    Sie kroch vorsichtig herüber und stieß sich dabei heftig den Kopf am Mast. Während ich mich vorbeugte und ihr half, ihren Knöchel von einem Seil freizumachen, wobei ich die Pinne aus den Augen ließ, rauschte eine Sturzwelle über den Bug, so daß wir alle völlig durchnäßt wurden.
    »Ein Tropfen Salzwasser kann nicht schaden«, schrie ich, aber die Jungen, die sich an die Reling der Windseite klammerten, waren nicht so ganz überzeugt, duckten sich und suchten in der kleinen Kabine Schutz. Sie war so niedrig, daß die beiden sich auf dem winzigen Raum wie Bucklige zusammenkauern mußten und mit jedem Satz des stark bewegten Bootes auf- und niederflogen.
    »Nette frische Brise«, sagte Captain Tom und grinste über das ganze Gesicht, »wir werden in Null Komma nichts dort sein.«
    Ich bleckte die Zähne, um die gleiche Zuversicht zu bekunden, aber die drei mir zugewandten bleichen Gesichter sahen nicht gerade begeistert aus. Ich hatte beinahe den Eindruck, daß niemand die Meinung des Captains teilte.
    Er bot mir eine Zigarette an, aber schon nach drei Zügen schmeckte sie mir nicht mehr, und ich warf sie heimlich über Bord, als Tom nicht herblickte. Er zündete sich eine ganz besonders unangenehm stinkende Pfeife an.
    »Die Dame würde die Bewegung weniger bemerken, wenn sie vorn am Bug säße«, meinte er dann, »und die Jungs ebenso.«
    Ich sah die Kinder an. Das Boot lag jetzt ziemlich ruhig, aber sie saßen in der dunklen Kabine zusammengepfercht und fühlten jeden Stoß; Mickys Gesicht verzog sich unheilverkündend, Vita starrte mit glasigen Augen fasziniert auf Toms Ölmantel, der an einem Haken neben der Kabinentür hing und wie ein Gehenkter hin- und herschaukelte.
    Tom und ich wechselten einen verständnisinnigen Blick, und während er die Ruderspinne übernahm und seine Pfeife ausklopfte, schleuste ich die Familie von der Kabine zum Bug, wo Vita und ihr Jüngster sich augenblicklich übergaben. Teddy hielt durch, wahrscheinlich, weil er den Kopf abwandte.
    »Bald sind wir unterhalb von Black Head«, sagte Tom, »da spüren sie nichts mehr.«
    Sein Griff an die Ruderspinne wirkte wie ein Zauber. Vielleicht war es aber auch reine Glückssache. Die ruckartigen Stöße gingen in ein sanftes Schwanken über, die weißen Gesichter bekamen wieder Farbe, Zähne hörten auf zu klappern. Bald wurden die von Mrs. Collins gebackenen Fleischpasteten aus dem Korb geholt, aus den Servietten gewickelt, und wir alle – sogar Vita – fielen gierig darüber her. Kurz darauf warfen wir auf der Westseite von Chapel Point Anker. In der Luft und auf dem Meer herrschte Ruhe, und die Sonne brannte auf uns nieder.
    »Ziemlich auffallend«, bemerkte Vita, die ihren Pullover auszog, zusammenrollte und unter ihren Kopf schob. »Sobald Tom am Steuer war, bewegte das Boot sich kaum, und der Wind ließ nach.«
    »Das stimmt nicht ganz«, antwortete ich. »Wir näherten uns der Küste, das ist alles.«
    »Eins steht fest«, sagte sie, »er wird uns nach Hause steuern.«
    Tom half den Jungen in das Beiboot. Sie hatten Badehosen an und Handtücher unter dem Arm. Tom trug die Angelruten, die bereits mit Ködern versehen waren.
    »Wenn Sie mit Ihrer Gattin an Bord bleiben wollen, Sir, dann kann ich solange auf die Jungs aufpassen«, sagte er. »Der Strand ist zum Schwimmen ganz sicher.«
    Ich wollte nicht mit meiner Gattin an Bord bleiben. Ich wollte über die Felsen klettern und Bodrugan suchen.
    Vita richtete sich auf, nahm ihre dunkle Brille ab und sah sich um. Die Flut stieg, und der Strand sah verlockend aus, aber ich bemerkte mit Erleichterung, daß er im Moment von mehreren Kühen mit Beschlag belegt war. Die Tiere trotteten herum und verunzierten das Gras in der üblichen Weise.
    »Ich bleibe an Bord«, sagte

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