Ein Tropfen Zeit
zu scherzen wie die anderen.
Tom hatte mich entdeckt und ruderte das kleine Boot ans Ufer, um meine Sachen zu holen. Ich schwamm zum Segelboot, und es gelang mir mit Hilfe eines Seiles und der helfenden Hände von Vita und den Jungen, mich an Bord zu hieven.
»Sieh mal, drei Makrelen«, rief Micky. »Mama sagt, sie will sie uns zum Abendbrot braten. Wir haben auch eine Menge Muscheln gefunden.«
Vita kam mit einem Rest Tee in der Thermosflasche. »Du siehst ganz erledigt aus«, sagte sie. »Bist du weit gegangen?«
»Nein. Nur über die Felder. Da oben hat früher mal irgendein Schloß gestanden, aber es ist nichts davon übriggeblieben.«
»Du hättest im Boot bleiben sollen«, sagte sie. »Das Baden war herrlich. Hier, trockne dich mit dem Handtuch ab. Du zitterst ja. Hoffentlich hast du dich nicht erkältet. Du hättest nicht ins kalte Wasser gehen dürfen, nachdem du so geschwitzt hattest.«
Micky drückte mir einen Pfannkuchen in die Hand, der entsetzlich fade schmeckte, und ich trank den lauwarmen Tee. Tom stieg an Bord und brachte meine Sachen, bald wurde der Anker gelichtet, und Tom nahm seinen Platz am Ruder ein. Ich zog mir einen Pullover über, setzte mich an den Bug, und Vita kam zu mir.
Die kurzen Wellen in der Mitte der Bucht trieben sie jedoch in die Kabine, wo sie sich Toms Ölmantel umschlug, während ich auf das ferne, hinter einem Baumgürtel verborgene Kilmarth starrte. Bodrugan hatte es damals deutlicher sehen können, wenn er sein Schiff zur Flußmündung steuerte, die damals den Strand einnahm, und Roger konnte ihm von den Felsen aus ein Zeichen geben, wenn alles in Ordnung war. Ich fragte mich, wer wohl unruhiger war – Bodrugan, wenn er um das hügelige Festland in die Bucht segelte und wußte, daß Isolda im leeren Haus hinter der niedrigen Mauer auf ihn wartete, oder Isolda, wenn sie die Mastspitze auftauchen sah und das erste dunkle Segel in Sicht kam. Jetzt fuhren wir an der Boje von Cannis vorbei, die Sonne achtern, steuerten auf den Hafen zu und erreichten ihn zur Freude der Jungen genau im gleichen Augenblick, als ein großer Dampfer mit zwei Schleppdampfern an der Seite seewärts schwamm.
»Können wir morgen wiederkommen?« riefen sie, während ich Tom auszahlte und ihm für die Fahrt dankte.
»Mal sehen«, sagte ich – die stereotype, für die Jugend gewiß aufreizende Formel der Erwachsenen. Was sehen? hätten sie wohl am liebsten gefragt. Ob deine Laune danach ist und in der Welt der Großen wieder Frieden herrscht? Ob sie einen schönen Tag haben würden, hing vom Waffenstillstand zwischen mir und ihrer Mutter ab.
Als wir in Kilmarth ankamen, mußte ich zunächst Magnus' Anruf zuvorkommen. Ich schlich in die Bibliothek, um einen günstigen Augenblick abzuwarten, aber die Jungen kamen herein und schalteten das Fernsehgerät ein, so daß ich ins Schlafzimmer hinaufging. Vita war unten in der Küche und bereitete das Abendessen. Jetzt oder nie. Ich wählte seine Nummer, und er meldete sich sofort.
»Hör zu«, sagte ich rasch, »ich kann nicht lange reden. Das Schlimmste ist passiert. Vita und die Jungen sind am Samstagmorgen unerwartet angekommen. Sie haben mich beinahe in flagranti erwischt. Verstehst du? Und dein Telegramm rief eine Katastrophe hervor. Vita hat es geöffnet. Seitdem ist die Lage mehr als gespannt.«
»O je …«, sagte Magnus im Ton einer alten Dame, die sich durch nichts mehr erschüttern läßt.
»Nicht o je – es ist eine verdammte Sauerei!«, fuhr ich ihn an. »Und das Ende aller Trips. Das ist dir doch wohl klar?«
»Beruhige dich, mein Bester, beruhige dich. Du sagst, sie ist angekommen und hat dich tatsächlich unterwegs erwischt?«
»Nein, ich kam gerade von einem Trip zurück. Um sieben Uhr früh. Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen.«
»Hat es sich gelohnt?« fragte er.
»Ich weiß nicht, was du darunter verstehst«, sagte ich. »Es ging um einen bevorstehenden Aufstand gegen die Krone. Otto Bodrugan war dabei und Roger natürlich auch. Ich schreibe dir morgen ausführlich, auch über den Trip vom Sonntag.«
»Also hast du es doch noch einmal gewagt, trotz der Familie? Großartig!«
»Nur weil sie zur Kirche gegangen sind und ich deshalb entwischen konnte. Aber das Zeitproblem, Magnus, das kann ich mir nicht erklären. Der Trip schien mir nur eine halbe Stunde oder vierzig Minuten zu dauern. In Wirklichkeit aber war ich ungefähr zweieinhalb Stunden ›fort‹.«
»Wieviel hast du genommen?«
»Genausoviel wie Freitag
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