Ein Tropfen Zeit
nacht, ein paar Tropfen mehr als auf den ersten Reisen.«
»Aha.«
Er schwieg eine Weile und dachte über meine Worte nach.
»Nun«, fragte ich, »was bedeutet das?«
»Ich bin nicht ganz sicher. Das muß ich erst untersuchen. Mach dir keine Sorgen, in diesem Stadium kann es nicht schlimm sein. Wie fühlst du dich?«
»Nun ja … körperlich recht gut, wir waren den ganzen Tag segeln. Aber es ist furchtbar anstrengend, Magnus.«
»Ich werde sehen, wie es diese Woche geht, und versuche dann zu kommen. In ein paar Tagen habe ich die Ergebnisse vom Labor, und wir können uns darüber unterhalten. Inzwischen sei vorsichtig mit den Trips.«
»Magnus …«
Er hatte aufgelegt, und das war mir auch recht, denn mir schien, als hörte ich Vita die Treppe heraufkommen. Dieses Mal war ich erleichtert bei dem Gedanken, Magnus wiederzusehen, obwohl es gewiß Schwierigkeiten mit Vita geben würde. Außerdem machte mir die Droge Sorgen. Diese Niedergeschlagenheit, diese düsteren Ahnungen konnten durchaus eine Nebenwirkung sein.
Ich betrachtete mich im Badezimmer im Rasierspiegel. Mein rechtes Auge sah merkwürdig blutunterlaufen aus, und über das Weiße lief ein schwacher roter Streifen. Vielleicht ein geplatztes Blutgefäß, was nichts zu bedeuten hatte, aber ich konnte mich nicht erinnern, so etwas schon früher einmal gehabt zu haben. Ich hoffte, Vita würde es nicht bemerken.
Das Abendessen verlief ohne Störungen; die Jungen schwatzten zufrieden über den Tag und ließen sich die selbstgefangenen Makrelen schmecken (meiner Meinung nach der fadeste Fisch, den es gibt, aber ich verdarb ihnen nicht die Freude). Als wir abräumten, läutete das Telefon.
»Ich nehme ab«, sagte Vita rasch, »vielleicht ist es für mich.«
Magnus konnte es wenigstens nicht sein. Wir hatten das Geschirr in die Spülmaschine gestellt, als Vita in die Küche zurückkam. Den Gesichtsausdruck kannte ich. Entschlossen, herausfordernd.
»Das waren Bill und Diana«, sagte sie.
»O ja?«
Die Jungen verschwanden in die Bibliothek zum Fernsehen. Ich schenkte uns Kaffee ein.
»Sie fliegen von Exeter nach Dublin«, sagte sie. »Jetzt sind sie in Exeter.« Noch bevor ich eine passende Antwort finden konnte, fügte sie hastig hinzu: »Sie sind ganz versessen darauf, das Haus zu sehen, darum habe ich vorgeschlagen, daß sie ihren Flug zwei Tage verschieben, morgen zum Mittagessen kommen und über Nacht hierbleiben. Sie waren begeistert von der Idee.«
Ich setzte meine Kaffeetasse ab, ohne auch nur daran genippt zu haben, und ließ mich in den Küchenstuhl fallen: »O mein Gott!« Mehr konnte ich nicht hervorbringen.
13
Es gibt im Leben wohl kaum eine schlimmere Anspannung als das Warten auf unerwünschte Gäste. Ich hatte nach meinem ersten Seufzer der Verzweiflung keinen Widerstand mehr geleistet, aber wir verbrachten die Stunden bis zum Schlafengehen in verschiedenen Zimmern. Vita blieb mit den Jungen in der Bibliothek vor dem Fernsehschirm, und ich hörte im Musikzimmer Sibelius.
Jetzt, am folgenden Morgen, saß Vita vor dem französischen Fenster des Musikzimmers und wartete auf das Geräusch der Hupe, während ich, von einem Gin mit Mineralwasser bereits leicht angesäuselt, im Zimmer auf und ab ging, den Blick auf die Uhr, und mich fragte, was wohl schlimmer sei – diese Aussicht auf den schrecklichen Augenblick, da der Wagen in die Einfahrt bog, oder das eigentliche Theater, nachdem die Gäste eingetroffen waren – Jacken über Stühle geworfen, klickende Kameras, laute, unaufhörlich redende Stimmen, der Geruch von Bills unvermeidlicher Zigarre. Vielleicht aber war die eigentliche Schlacht besser als das entnervende Warten.
»Da kommen sie«, schrien die Jungen und stürmten die Treppe hinunter. Ich trat an die Fenstertür, als ginge ich meiner Hinrichtung entgegen.
Vita war eine glänzende Gastgeberin: Kilmarth verwandelte sich augenblicklich in eine amerikanische Botschaft im Ausland. Es fehlte nur noch die Flagge. Das von der hilfreichen und strahlenden Mrs. Collins hereingetragene Essen prangte auf dem Tisch. Der Whisky floß in Strömen, Zigarettenrauch hing in der Luft; wir aßen um zwei und standen um halb vier vom Tisch auf. Die Jungen, mit dem Versprechen vertröstet, daß wir später mit ihnen baden gehen würden, verschwanden im Obstgarten, um Kricket zu spielen. Die Damen, mit gleichförmigen dunklen Brillen maskiert, zogen ihre Liegestühle außer Hörweite und widmeten sich dem Klatsch. Bill und ich installierten
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