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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Schweiß von der Stirn wischte und ihn ins Kissen zurückschob.
    »Wir können ihn unmöglich hierlassen; die Diener sind in Trelawn, es ist niemand da, der für ihn sorgen kann«, sagte Joanna. »Und selbst wenn wir ihn hinüberbringen wollten, so könnten wir das bei einem solchen Unwetter nicht vor Einbruch der Dunkelheit tun. Aber unter Eurem Dach in Bockenod wäre er in einer Stunde.«
    »Das wage ich nicht«, antwortete Sir John. »Sollten es wirklich die Pocken sein, wie der Mönch befürchtet – meine Familie hat sie noch nicht gehabt. Uns bleibt nichts anderes übrig, als ihn in Rogers Obhut hierzulassen.«
    Seine Augen blickten ängstlich über das Taschentuch hinweg auf Roger. Was für eine jämmerliche Figur mußte er vor Joanna machen, wenn er sich so vor der Ansteckung fürchtete. Fort war das siegesgewisse Gebaren, das ich bei der Audienz des Bischofs an ihm beobachtet hatte. Er hatte zugenommen, und sein Haar ergraute. Roger neigte, respektvoll wie immer, den Kopf, aber der spöttische Blick in seinen niedergeschlagenen Augen entging mir nicht.
    »Ich bin bereit, zu tun, was meine Herrin befiehlt«, sagte er. »Ich hatte als Kind die Pocken, mein Vater starb daran. Der Neffe meiner Herrin ist jung und stark, der müßte es überstehen. Auch sind wir uns über die Krankheit noch nicht im klaren. Manches Fieber fängt so an. Er könnte in vierundzwanzig Stunden wieder völlig gesund sein.«
    Joanna stand auf und trat ans Bett. Sie trug immer noch den Witwenschleier, und ich erinnerte mich an die Nachschrift des Studenten vom British Museum zu dem Freibrief vom Oktober 1331: »Joanna, die Witwe unseres Lehnsmannes Henry de Champernoune, erhält gegen eine Gebühr von zehn Dukaten die Erlaubnis, von den Gefolgsleuten obigen Königs den zu heiraten, den sie zum Manne erwählt hat.« Wenn Sir John immer noch ihr Auserwählter war, so hatte die Heirat noch nicht stattgefunden …
    »Wir können es nur hoffen«, sagte sie langsam, »aber ich bin derselben Ansicht wie der Mönch. Otto und ich hatten als Kinder die Pocken. Wenn wir eine Nachricht nach Bodrugan schickten, würde Otto selbst kommen und ihn holen.« Sie wandte sich an Roger: »Wie steht die Flut?« fragte sie. »Ist die Furt überschwemmt?«
    »Sie liegt seit einer Stunde oder mehr unter Wasser, Herrin«, antwortete er, »und die Flut steigt weiter an. Es ist unmöglich, die Furt zu überschreiten, bevor Ebbe eintritt, sonst würde ich selbst nach Bodrugan reiten und Sir Otto benachrichtigen.«
    »Dann können wir nichts tun, als Henry deiner Pflege zu überlassen, obwohl keine Diener im Haus sind«, sagte sie, und zu Sir John gewandt: »Ich komme mit Euch nach Bockenod, reite bei Tagesanbruch weiter nach Trelawn und sage Margaret Bescheid. Sie müßte am Bett ihres Sohnes sein.«
    Der Mönch hatte, obgleich er sich um den jungen Henry bemühte, jedes Wort mit angehört. »Es gibt noch eine andere Möglichkeit, Herrin«, erklärte er. »Das Gästezimmer in der Priorei steht leer, und weder ich noch die anderen Mönche fürchten die Pocken. Henry Bodrugan wäre unter unserem Dach besser aufgehoben als hier, und ich werde Tag und Nacht für ihn sorgen.«
    Ich sah die erleichterten Mienen Sir Johns und Joannas. So waren sie jeder Verantwortung enthoben, was immer auch geschehen mochte.
    »Das hätten wir schon früher beschließen sollen«, sagte Joanna, »dann wären wir schon seit Stunden unterwegs, bevor der Sturm losbrach. Was meint Ihr, John? Ist das nicht die einzige Lösung?«
    »Es scheint so«, sagte er hastig, »das heißt, wenn der Verwalter ihn zur Priorei bringen kann. Wir wagen nicht, ihn mitzunehmen, um uns nicht anzustecken.«
    »Wer fürchtet sich?« sagte Joanna lachend. »Ihr selbst? Ihr könnt doch nebenher reiten, mit dem Taschentuch vor dem Gesicht, so wie Ihr es jetzt haltet? Kommt, wir haben lange genug verweilt.«
    Sobald die Sache entschieden war, hatte sie keinen Gedanken mehr für ihren Neffen, sondern ging zur Tür, die Sir John öffnete. Er wurde von der Gewalt des Sturmes zurückgeschleudert.
    »Ich rate Euch«, sagte sie ironisch, »fahrt lieber trotz des kranken Jungen bequem mit mir im Wagen, anstatt den Wind im Rücken zu haben, wenn wir den Hang hinaufkommen.«
    »Ich fürchte nicht für mich selbst«, setzte er an, und als er den Verwalter dicht hinter sich sah, fügte er hinzu: »Ihr versteht, meine Frau ist von zarter Gesundheit, und meine Söhne auch. Die Gefahr wäre zu groß.«
    »Zu groß, wahrhaftig, Sir

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