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Ein tüchtiges Mädchen

Ein tüchtiges Mädchen

Titel: Ein tüchtiges Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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dann ins Atelier zurück, zu dem jungen Künstler, der dastand und ihr Gesicht mit behutsamen Pinselstrichen auf die Leinwand bannte.
    Sie mochte Michael gern. Ihr gefielen seine lässig selbstverständliche Wohlerzogenheit, sein Wesen, seine Stimme. Und Gerd wußte, daß sie nun hatte, was viele Menschen „die Chance ihres Lebens“ nennen würden. Sie fühlte, daß es für Michael nur noch ein kurzer Schritt zu einer offenen Frage war. Sie wußte, wenn sie nur selbst wollte, konnte sie einmal Herrin auf Högalind werden.
    Ihr schwindelte. Herrin auf diesem Gut!
    Hausfrau auf diesem Herrensitz! Vielleicht Mutter des Erben von Högalind-Gut. Sie konnte selbst Baronin werden und „Ihre Gnaden“. Alles zusammen war einfach unfaßbar. Und warum sollte sie nicht?
    Das, was in ihrem Leben Glück bedeutet hatte, war vorbei. Nie mehr konnte sie einen Menschen lieben. Aber sie fühlte in sich eine große Güte für Michael. Auf jeden Fall konnte sie nett zu ihm sein, eine Stütze und Hilfe, ihm Verständnis zeigen und eine gute Mutter seiner Kinder werden.
    Brächte Gerd auch weder Gut noch Geld in eine Ehe mit Michael, so würde sie doch jedenfalls Gesundheit und Vernunft beisteuern. Gut und Geld hatte Michael selbst.
    Noch ein Gedanke fuhr ihr durch den Kopf: Wieviel konnte sie dann für ihre Mutter tun! Wie schön wäre es, wenn sie Mutti als Gast auf Högalind haben würde und Solveig im Küchenbereich schaltete und waltete, wo sie alle ihre ausgezeichneten Ideen ausführen durfte. Solveig könnte Kinderzimmer und Schulzimmer einrichten, denn Kinder auf Högalind brauchten ja Gouvernanten und Hauslehrer, es war zu weit zur Schule. Es mußte auch angenehm sein, soviel Geld zu haben, sich schön kleiden zu können, Gesellschaften zu geben, zu repräsentieren…
    Stand das Schicksal nicht bereit und bot ihr alles denkbare Glück aus einem Füllhorn dar?
    „Blue Darling“ flatterte, verließ Gerds Hand und flog in einem eleganten Bogen zur Deckenlampe. Da setzte er sich auf den Rand der Schale, hielt das Köpfchen schräg und guckte bedächtig zu dem Bild auf der Staffelei hinunter.
    „Ja, du hast recht, ,Blue Darling’“, sagte Michael lächelnd, „wir wollen eine Pause machen, und übrigens ist es wohl auch Zeit zum Lunch.“
    Er zog den Malkittel aus, wusch die Hände und strich das Haar zurück. Gerd hatte den Vögel wieder an sich gelockt und trug ihn nun in den Wintergarten hinunter.
    „Nun, wie steht es mit dem Porträt?“ fragte die Baronin.
    „Fein. Es geht mit Sturmesschritten voran. Du kannst gern nach oben kommen und es begutachten. Jetzt endlich beginnt es, Fräulein Elstö ähnlich zu sehen.“
    Das ließ Mama sich nicht zweimal sagen. Am selben Nachmittag machte sie einen feierlichen Besuch im Atelier ihres Sohnes und stand lange vor dem halbfertigen Bild.
    „Das ist ein reizendes junges Mädchen, Michael“, fing die Mutter vorsichtig an.
    Michael lächelte. „Ja, sehr reizend.“
    Pause. Dann sprach Michael weiter.
    „Hör mal, Mamachen, ich möchte rasch mal nach Stockholm fahren. Da ist etwas, das ich…“
    „Nach Stockholm?“ Ein Schatten flog über das Gesicht der Mutter.
    „Ich versprach doch, alle Verbindungen abzubrechen, Mama! Verstehst du, es gibt Verbindungen, die… die man nur mündlich lösen sollte. Man muß doch versuchen, Gentleman zu sein, nicht wahr, alles so rücksichtsvoll wie möglich zu ordnen?“
    „Ich verstehe, mein Junge.“
    „Und solange ich nicht reinen Tisch gemacht habe, kann ich nicht…“, Michael sah seine Mutter an und wußte, daß er weiter nichts zu sagen brauchte.
    „Mache nur diese Stockholmtour, Michael, je früher, desto besser.“
    Gerd saß an dem kleinen, dünnbeinigen Schreibtisch im Gästezimmer, den Kopf in die Hände gestützt.
    Vor ihr lag die soeben eingetroffene Post.
    Da war ein Brief von Myrseth, der in seiner Freude allzu große und allzu lobende Worte für sie fand und ihr großzügig noch längere Ferien gönnte, aber da war auch was anderes. Ein kurzer Gruß von Solveig.
    „Hast Du einen Dusel, so ein Luxusleben auf einem waschechten Gut. Kommst Du auf der Rückreise durch Oslo und erzählst uns davon? Wir sterben vor Spannung. Denk mal, so einen Einblick in die Kreise der oberen Zehntausend zu bekommen! Uns geht es gut.
    Ich habe übrigens einen Gruß für Dich von meiner alten Schulfreundin Erna Böe, die behauptet, Dich neulich auf dem Newcastleschiff getroffen zu haben. Sie stände fast Kopf vor Geschäftigkeit, sagte sie,

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