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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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die See war nie schlimmer als kabbelig, und sie stand die ganze Zeit am Ruder, während ich in der Kajüte herumlungerte, bis wir letztendlich strandeten und auf gegenüberliegenden Seiten von Bord gingen, sie zuerst, während ich noch unter Deck blieb und über den Karten brütete. (Mein ganz eigenes Steuermädchen war einer meiner geheimen Namen für sie.) Von diesem Nichts also hinein in etwas durchaus Bedeutendes, nicht nur etwas x-beliebiges, so war es am Anfang: Liebe und eine Familie, ein Haus, ein Auto etc.
    Manchmal fuhr ich nach Leicester, um meine Mutter zu besuchen, die jetzt bei ihrer Schwester lebte, aber sie kam nur ein einziges Mal zu uns. Sie und meine Frau verstanden sich absolut nicht. Meine Frau versuchte, sie mit einem Fragenkatalog über das Leben der Arbeiterklasse in den Midlands auszuhorchen, und ich sah deutlich, daß meine Mutter dachte, sie solle sich um ihren eigenen Kram kümmern. Einmal sagte sie sogar: »Weißt du, ich bin keine gebildete Frau.« Sie hätte sich nie in die Erziehung unserer Kinder eingemischt. Sie schaute einfach zu, wie sie der unbarmherzigen Aufklärung lauschten, als würden sie auf das Ende
einer langatmigen Fernsehsendung warten. Manchmal, wenn die Befragung zu hartnäckig wurde, schaute sie auf ihre Strickerei hinunter und murmelte: »Eigentlich weiß ich zu wenig, um darüber etwas zu sagen.«
    Meine Frau sagte mir, wie sehr sie meine Mutter wegen ihrer Zurückhaltung, ihrer standhaften Wahrung der Privatsphäre und so weiter bewundere. Meine Mutter meinte, wie hübsch und nett doch alles sei, aber eigentlich glaube ich, das alles war ihr scheißegal. Kein einziges Mal spielte oder redete sie mit den Kindern, allerdings kaufte sie ihnen an ihrem letzten Vormittag zwei große Tüten mit gemischten Süßigkeiten, eine adrette und überernährt aussehende Puppe für Virginia und einen Panzer zum Aufziehen für Adrian.
    »Weiß nicht, ob ihr solche Sachen mögt«, sagte sie zu ihnen, und verkniff es sich gerade noch zu ergänzen: »Und wer ist schuld daran, wenn ihr sie nicht mögt?«
    Für meine Frau kaufte sie eine teure Topfpflanze, eine Azalee, glaube ich. Meine Frau sagte, wie wunderschön sie sei und daß es nicht nötig gewesen wäre, und versuchte, sie zu umarmen. »Ob nötig oder nicht, da hast du sie«, erwiderte meine Mutter und knöpfte sich ihre Strickjacke bis zum Hals zu, als wäre die Annäherung meiner Frau ein plötzlicher kalter Luftzug.
    Der Tag vor ihrer Abreise war ein Sonntag, und sie bot an, mit den Kindern in die Kirche zu gehen.
    »Ach, wir gehen nie in die Kirche, nicht, Mummy?« sagte Virginia, wobei ihre Manieren nicht zum ersten Mal gegenüber ihrer Moralität den kürzeren zogen.
    »Soweit ich weiß, hat’s noch niemandem geschadet«, erwiderte meine Mutter, allerdings ohne im geringsten beleidigt zu sein.
    »Na ja, da ist schon eine Gefahr, eine Bedrohung, die man ...«, setzte meine Frau an.
    Ich ging ziemlich schnell dazwischen, wie Sie sich vielleicht vorstellen können. »Ach du meine Güte, Mutter, du warst doch nie ein zahlendes Mitglied der Göttlichen Überwachungsheerscharen, wie ich das nennen würde.«
    »War ich nie und bin ich auch jetzt nicht«, sagte sie und hätte
mich beinahe angelächelt, ein winziger Augenblick verschwörerischen Einvernehmens. »Aber es heißt, es gibt ziemlich viele davon.«
    »Das ist ein Hokuspokus-Haus, nicht, Mummy?« plapperte Virginia weiter. »Und außerdem geht Dad ja auch nie in die Kirche, oder, Dad?«
    »Ich hab’s schon oft versucht«, sagte ich. »Aber sie lassen mich nicht rein. Die haben schon genug Sünder, die das System verstopfen.«
    »Was ist ein Sünder, Mummy ... ?«
    »Nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen mußt«, erwiderte meine Frau mit verblüffender Ungenauigkeit.
    Und so endete diese Unterhaltung. Meine Mutter hatte sich bereits abgewandt und meinte, sie wolle jetzt allein einen kleinen Spaziergang machen, wenn wir nichts dagegen hätten. Meine Frau und ich sahen ihr nach, wie sie den Gartenpfad hochging. Zuerst sagten wir nichts. Sie schaute sich sehr genau um, als würde sie eine Inspektion durchführen oder Sachen zum letzten Mal sehen und sie katalogisieren. Es hätte mich nicht überrascht, wenn sie nicht mehr zurückgekommen wäre.
    Als sie dann um die Ecke bog, sagte meine Frau: »Traurig.«
    Ich erwiderte nichts. Ich konnte keine Traurigkeit entdecken, nicht einmal Einsamkeit. Sie schien sogar ziemlich zufrieden mit sich selbst zu sein. Nachdem sie

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