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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Krawatte zu verstecken, das letzte Geschenk der Dame, die sich dann mit einem Banker oder auch zweien eingelassen hatte. Was hatte sie gesagt? Damit du ein bißchen Farbe bekommst? Jetzt war ich es, dem Heuchelei und Schäbigkeit anhafteten.
    Diese Gedanken paßten recht gut zu der Predigt, die das Motto »Selig sind die Armen im Geiste« hatte. Die Stimme des Vikars hallte noch im hinteren Teil der Kirche, und ich hatte den Eindruck, als würde er hauptsächlich mich ansprechen. Soweit ich es verstand, ging es im wesentlichen darum, daß wir nicht allzuviel von uns selber halten sollten, weil sich diese Einschätzung als unhaltbar erweisen könnte und andere (Gott eingeschlossen) dann immer weniger von uns halten. Demut bedeute, daß man Gott braucht und seine Selbstsucht verliert, Mäßigung in allen Dingen, daß man nicht versucht, sich selbst zu genügen, und ganz
allgemein jegliche Dünkelhaftigkeit meidet. Diese Worte schrieb ich in mein Notizbuch, das ich inzwischen immer bei mir trug, und zum Schluß noch »unsere Mittelmäßigkeit in der Welt, unsere Gewöhnlichkeit«, worauf ich hinzufügte: »Schlechte Krawattenwahl, hatte sie wahrscheinlich von einem ihrer aufgeblasenen Geldsäcke, was glauben die eigentlich, wer sie sind ... ?«
    Während der Kollekte wurde das letzte Lied gesungen: »Ein grüner Hügel steht außerhalb der Mauern weit.« Erst als es vorüber war, hörte ich auf, mich zu fragen, was da so besonders daran sei. Die Kollekte wurde vom Colonel durchgeführt, der zögerte, bevor er nur wegen mir bis zur letzten Reihe kam. Da ich der letzte war, konnte ich sehen, was die anderen gegeben hatten. Mein Zehner war der einzige. Es war der einzige Schein, den ich in meiner Brieftasche hatte bis auf einen Ein-Pfund-Schein, den ich an diesem Morgen aus Versehen zerrissen hatte, als ich meine längst abgelaufene Kreditkarte herauszog, und den ich dann mit Tesa wieder zusammengeklebt hatte. Ansonsten war er ein dreckiges, zerknittertes Ding, und ich bin mir ziemlich sicher, daß der Colonel den Kopf schüttelte, als er den Eindruck hatte, ich würde nach diesem Schein greifen. Er zeigte mir unverhohlen die Freude, die ihm der Zehner bereitete, er nickte mir kurz zu und lächelte, als hätten wir beide schon sehr viel gemeinsam erlebt. Da fiel mir ein, es könnte durchaus sein, daß ich früher als Hauptgefreiter in der Zahlstelle der Armee seinen Sold berechnet hatte. Jetzt aber waren wir in den Augen des großen Oberkommandierenden im Himmel auf ganz anderer Ebene gleichrangig, ganz zu schweigen von den ähnlichen Signalen, die wir in der Klinik vom Sensenmann erhalten hatte.
    Einige Augenblicke stand er neben mir und wartete, die Faust an den Mund gepreßt, um nicht laut herauszulachen, auf seine Chance. Dann nahm er, mit einem letzten, unterdrückten Bellen, meine Spende vom Rand des Tellers, legte sie oben auf das Häufchen und marschierte dann wieder den Mittelgang hoch, den Teller vor sich ausgestreckt, als wollte er zeigen, was für ein großartiges Beispiel ich gegeben hatte.
    Ich war als erster draußen vor dem Portal, wo der Vikar schon
auf mich wartete. Er erkundigte sich kurz nach meinem Befinden (»Schon ein bißchen eingelebt, hm? Freut mich sehr, Sie hier zu sehen«), doch bereits das verursachte hinter mir einen Flaschenhals und zwei unnötige Vorstellungen: den Colonel und die Jenners. Ich entwischte dann auf dem Zuweg und kämpfte eben mit dem Tor, das (wie sich zeigte) nur einen kurzen Schubs erforderte, als der Colonel mich einholte und zu einem Drink einlud. Er stellte mir, ihre Vornamen benutzend, seinen Sohn und seine Schwiegertochter vor, die dann zusammen mit ihm die zweite Reihe bildeten, so daß ich mit seiner Gattin am Grasrand entlang vorausgehen mußte. Hinter mir hörte ich Vater und Sohn in Code über diverse Waffentypen reden oder über die Straßen in der Umgebung des Lagers, wo der Sohn stationiert war. Schließlich kamen sie auf Nordirland. »Dort ist kein Ende in Sicht«, sagte der Colonel. »In unserem Gewerbe ist es das nie.«
    Ich horchte, ob auch die Schwiegertochter etwas sagte, wartete auf die Stimme, die zu diesem Gesicht gehörte, doch davon später mehr. Unterdessen sagte die Frau des Colonels mit diesem nasalen, winselnden, amerikanischen Akzent: »Ob ich es vermisse? Wir haben uns in Washington kennengelernt, und jetzt, schauen Sie, soweit das Auge reicht ...«
    Ich sagte, ich wisse, was Sie meine, aber irgendwo müsse man sich ja niederlassen –

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