Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
irgendwas in der Richtung, als sie plötzlich losrannte und sich ein paarmal umdrehen mußte, um zu sehen, ob ich noch in Hörweite war. »Ich war Hosteß, in der Öffentlichkeitsarbeit, stellen Sie sich das vor, ein richtiger gesellschaftlicher Wirbelwind, ach du meine Güte, die Anträge, die ich bekommen habe, das können Sie sich gar nicht vorstellen. Männer in Uniform sind die schlimmsten, oder die besten, je nachdem ... dann dieser wunderbare britische Akzent und die blitzenden Augen. Na ja, und jetzt sind wir eben hier. Ich finde es absolut phantastisch, zumindest meistens, ob ich jetzt mein Talent verschleudert habe oder nicht, ich meine, Wurzeln habe ich hier schon geschlagen, aber langsam welke ich trotzdem dahin ...«
So plapperte sie weiter, warf dabei ihre blond- oder graugesträhnten, bronzefarbenen Haare nach hinten und zeigte mir diverse
Ansichten ihres gebräunten oder überschminkten Gesichts, das sich unablässig bewegte, so daß ich nicht recht entscheiden konnte, wie attraktiv sie noch immer war oder eher gewesen war. Doch daran bestand eigentlich kein Zweifel angesichts ihrer schlanken und geschmeidig ausschreitenden Wohlgeformtheit, den großen, herausfordernd blickenden Augen, die, zumindest für tagsüber im Freien, von zuviel Lidschatten umgeben waren, und den vollen Lippen, die völlig zu Recht nur einen Hauch künstliche Farbe zeigten und gegen die das Netz der auf sie zustürzenden Fältchen kaum etwas ausrichten konnte.
Wir gingen eine Seitenstraße hoch und erreichten das Haus deutlich vor den anderen, die dann draußen noch eine Weile im Vorgarten herumstanden, was ja auch durchaus angebracht war an einem solchen Tag zu Frühlingsbeginn und bei einem so schönen und abwechslungsreichen Garten, mit Sträuchern etc. in vielgestaltigen Beeten, zwei blendend weißen Holzbänken, einem feucht schimmernden Rasen und gestutzten Bäumen. Das alles sah ich von der Terrassentür aus, wohin sie mir kurz darauf einen Gin Tonic brachte. Oder zumindest war ein Gin Tonic, worum ich sie gebeten hatte, und mein Getränk schmeckte auch ziemlich danach, auch wenn es eine leicht gelbliche Färbung hatte, und die beiden Scheibchen, die sich zwischen den Eiskugeln voneinander lösten, sahen eher wie von einer Mandarine aus. Auch sprudelte mir die Mixtur zu wenig.
Nun trafen auch die anderen ein. Jenners zog mich ins Gespräch, beziehungsweise ich durfte zuhören, wie er, zum Garten gewandt, über Handel und Industrie redete, aber, so erfuhr ich diverse Male, zwei Jahre nach der Pensionierung fange der alte Hirnkasten ein wenig an zu klappern. Er schien mich persönlich verantwortlich zu machen für etwas, das ich schon vor langer Zeit hätte erkennen müssen. Um mich nicht so überfahren zu lassen, erwähnte ich die Übernahme meiner Firma, und er nickte weise, als kenne er den amerikanischen Konzern sehr gut, auch wenn er seinen Namen zweimal falsch aussprach.
Seine Gattin kam zu uns und stellte sich neben ihn, eine kleine Frau, deren kurze stahlgraue Haare aussahen, als würde oft darübergestrichen.
Ihr Mund zuckte, als müsse sie sich immer noch daran gewöhnen, nicht zu widersprechen. »Mein Lieber, vielleicht will Mr. Ripple die alten Geschichten gar nicht mehr aufwärmen, oder, Mr. Ripple?« sagte sie mit einer Stimme, die um einige Töne tiefer war als die seine und doppelt so schnell kam. Sie schielte auf mein Kinn oder die Krawatte, und auch sie befürchtete dort offensichtlich das Schlimmste.
Unsere Gastgeberin kam dazu, den Immobilienmakler im Schlepptau. »Spielt er mal wieder den Amerika-Hasser, hm?« fragte sie.
Jenners spielte den Entrüsteten. »O nein, dafür haben wir euch doch viel zu nötig. Und Not gebiert Zuneigung.«
Er ließ ein langes, dröhnendes Lachen hören und hielt dabei sein Glas schräg, so daß etwas von seinem Drink auf den Teppich tropfte, dann bückte er sich und wischte mit seinem Taschentuch an dem Fleck, wobei er noch mehr vergoß. Auch wenn ich mich bis dahin nur wenig um Einrichtungsgegenstände gekümmert hatte, wußte ich doch, daß es der teuerste Teppichboden war, den man kaufen konnte, zweieinhalb Zentimeter dick und so nahe an Reinweiß, wie man etwas zum Drauftreten bekommen kann. Mrs. Jenners eilte mit entrüstetem Zungenklicken davon, und Sidney sagte: »Wußte gar nicht, daß sich ein Bürokrat so tief bücken kann. Ihr gehorsamer Diener ...«
Jenners brummte, und unsere Gastgeberin machte eine wegwerfende Handbewegung und säuselte: »Ach,
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