Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
lassen Sie es gut sein. Diese neuen Teppiche sind ja so waschbar, finden Sie nicht ...«
Der Colonel gesellte sich mit seinem Sohn und der Schwiegertochter zu uns, schaute mit tiefem Stirnrunzeln zu Jenners hinunter und sagte zu mir: »Kommense doch mal, ich will Ihnen ein paar Leute vorstellen.« Er faßte mich am Ellbogen und führte mich zu dem Trio, das in der Kirche in der ersten Reihe gesessen hatte.
Sie führten das Kunsthandwerkszentrum, erklärte er, doch das war unnötig, denn sie hatten eine ziemlich große Auswahl der Produkte, mit denen sie zu tun haben könnten, an oder bei sich: eine Ledertasche mit Fransen, klobige Schmuckstücke, ein Armband
aus Korbgeflecht und eine Webkrawatte, die auch ein Streifen eines unfertigen Teppichs hätte sein können. Sie hatten Tonflecken an den Ärmeln, die ungewöhnlich lang und entweder mit Fransen besetzt oder ausgefranst waren und die Hände so gut wie verdeckten, die gelassen zwischen Brust und Nabel ruhten, wobei man sich in der Hinsicht bei den Frauen nicht so ganz sicher sein konnte. Eine der beiden trug die Krawatte und der Mann das Armband. Sie eröffneten mir, ich sei in ihrem Zentrum natürlich jederzeit willkommen, und ob ich denn nicht an einem Kurs teilnehmen wolle? Der Colonel ging mehrmals an uns vorbei, schaute hinunter auf ihre Schuhe und die pulverigen Absonderungen darum herum und dachte sich zweifellos, daß dies kein guter Tag für den neuen Teppich sei. Die Schuhe, wenn schon nicht von vornherein selbstgebastelt, hatten doch im Lauf der Jahre einige Veränderungen erfahren und könnten in einigen weiteren dazu ausersehen sein, zu Sandalen zu werden. Unterdessen könnten die Löcher mit Tonklümpchen gefüllt werden oder mit Wollflusen, die von den Socken darunter aus ihnen quollen.
Sie sagten mir eben, wie recht ich doch habe, dem Ganzen zu entfliehen, und was für eine gute Gelegenheit es sei, etwas Kreatives zu tun, als der Sohn des Colonels zu uns kam und sagte: »Zurück zur Natur. Bin auch sehr dafür, nur sein eigenes Ding machen, mit den Händen arbeiten ...« Er ließ den Satz unvollendet und sah plötzlich unbehaglich adrett aus in seiner Regimentskrawatte, wie ich vermutete, dem dunkelgrauen Anzug, den Wildlederschuhen und der generellen Gepflegtheit im Kopfbereich. Dann faßte er sich geschickt wieder, schaute einer der Frauen direkt in die Augen und sagte: »Ihr Mann, ich meine, war er immer schon so, oder ist das etwas, auf das er erst später gekommen ist, ich meine, hat er zuvor was anderes gemacht?«
Die beiden Frauen starrten ihn auf leicht unterschiedliche Art an, genauer gesagt, sie starrten zu ihm hoch. Der Mann, derjenige mit dem Bart, schaute sie geduldig an und wartete offensichtlich auf eine Richtigstellung. Dann sagte diejenige mit der größten Varianz an Accessoires: »Ach, er ist inzwischen von keiner von uns beiden mehr der Partner, nicht, Geoffrey? Oder bist du es noch?«
»Was anderes versuchen«, sagte die zweite Frau. »Wir haben doch viel zuviel zu tun, um an was anderes überhaupt zu den ken. « Worauf sie ein Quieken von sich gab und alle Teile ihres Gesichts bewegte, als müßte sie sein Innenleben neu ordnen.
Der junge Soldat errötete, und der Mann sagte: »Was er meinte, war, ob ich je in einer Bank gearbeitet und alles hingeworfen habe? Nicht ganz. Habe für das London Borough of Camden Toilettenhäuschen und so weiter entworfen.«
Während sie nun abwechselnd und vorwiegend sich untereinander erklärten, wie alles gekommen war, sah ich die Frau des jungen Soldaten hinter dessen Schulter auftauchen. Wir grinsten einander an. Die ganze Woche, oder noch länger, war mir nichts Netteres passiert: der Anflug von Schalk in ihren Augen (grau? grün?), die honiggelben Ponysträhnen, die ihr in Abständen auf die Wimpern fielen, und die Zungenspitze, die die Lücke zwischen ihren oberen Schneidezähnen berührte – ich will erst gar nicht versuchen, das alles in Worte zu fassen, obwohl es mir auch jetzt noch sehr lebhaft vor Augen steht; ganz zu schweigen von dem, was meine Phantasie sich ausmalte in bezug auf die Dinge, die weiter unten noch viel verführerischer waren. Und doch verströmte sie eine gewisse Weltmüdigkeit, und ich fragte mich, ob etwas noch viel Schlimmeres als nur das Leben selbst schuld daran war.
Ich wandte mich ihrem Gatten zu, der sich eben mit einer Unterhaltung über die Salisbury Plain von seinem Fauxpas erholte, und sagte unhörbar: »Laß deine dreckigen Finger von ihr,
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