Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
nicht einmal als Leiche an einen solchen Ort verirren würde, wobei es vermutlich etwas anderes wäre, wenn es sich um meine handeln würde.
Das Sonnenlicht in den Buntglasfenstern kam und ging, als würden wir in dieser kurzen Zeit viele Sonnenauf- und – untergänge lang beten. Der Vikar hielt eine Predigt darüber, daß wir eine so große Wolke von Zeugen um uns haben und wir die uns so leicht umringende Sünde ablegen und mit Ausdauer laufen sollten in dem Wettkampf, der vor uns liegt. Nun, man würde doch wirklich sein allerbestes Verhalten an den Tag legen, nicht, wenn man hier vor all diesen Leuten anfangen würde zu joggen.
Dies aus meinem Notizbuch: Noch mehr Witze und Nonchalance, um zu verbergen, wieviel in einer anderen Sphäre an Hoffnung und Liebe vorhanden ist. Und als ich einen Fünfer in die Büchse für den Kirchenrenovierungsfonds steckte, dachte ich wieder an meine Frau, an ihre Geringschätzung der »etablierten« Religion: »Der reiche Mann in seinem Schlosse, der arme Mann an dessen Tor, Gott schuf sie, hoch und nieder, und gab ihnen das
Leben vor.« Das sagte sie, wer weiß, wie oft, unseren Kindern vor, und das Jenseits, meinte sie, sei immer nur ein Vorwand dafür, im Diesseits nichts zu tun. O ja, auch sie predigte, und ich widersprach ihr nicht und witzelte nur insgeheim über sie. Die Worte kamen mit einer solchen Überzeugung, daß sie einfach Wahrheit enthalten mußten, einen Hinweis auf den Kern aller Dinge, der durch Witze und Nonchalance nur pervertiert wird.
Mein Vater sagte einmal zu mir: »Man kann sagen, was man will, aber es ist doch eine Zuflucht, ein Trost, nicht?« Mutter bekam es mit. »Dann sind wir jetzt also Flüchtlinge, was? Vor was laufen wir denn davon? Und Trost, ich dachte immer, das ist was Billiges, das man Verlierern gibt.« Mein Vater schaute sie erstaunt an, zuckte die Achseln und konnte mir nicht in die Augen schauen, so gedemütigt war er wieder einmal. Das war der Grund, glaube ich, warum ich mir wünschte, es läge mehr Humor in der Luft, und warum ich jemand sein wollte, der an so ziemlich alles glaubte. Deshalb also sang ich aus voller Kehle, wie um meinen aufrichtigsten Gefühlen eine Stimme zu geben, während meine Gedanken umherschweiften, um Worte zu finden, die ebenso überzeugt klangen, als würde ich zum Beispiel sagen, ich habe ein Pferd gesehen, das mit dem Kopf über dem Zaun allein auf der Weide stand, oder der Geruch von gemähtem Gras liegt in der Luft.
Das nur ganz nebenbei und kaum erwähnenswert, da ich keinen Glauben an mich selbst mehr hatte, als ich nun in meinen Garten hinausschaute und Maureen nicht darin sah, wie sie sich über einen Strauch bückte oder die Spatzen fütterte. Keine Kirchgänge mehr, dachte ich. Da war kein Humor mehr dabei. Sinnloser, leerer, kleiner Garten ... Gedanken in dieser Richtung, als es plötzlich an der Tür klopfte. Es war der Colonel.
»Ah. Ripple. Lust, mit in den Pub zu kommen? Hab Sie in der Kirche gesehen. Gehört habe ich Sie auch. Weiß manchmal auch nicht, warum ich mir die Mühe mache. Hoffe, daß ein bißchen was davon abfärbt. Hab heute ein bißchen Zeit. Agnes ist in London. Und dann haben mich auch noch die Jenners zu sich nach Hause auf einen Drink eingeladen.«
»Ich komme sehr gern mit«, erwiderte ich.
»Dann haben sie Sie nicht eingeladen?« fragte er, als wir in sein Auto einstiegen.
»Kann mich nicht daran erinnern.«
Mit einem heftigen Stoß gegen den Schalthebel legte er den Gang ein. »So einsam bin ich auch wieder nicht. Ich kann mit Jenners einfach nicht. Was in Gottes Namen glauben Sie, wofür er seinen OBE gekriegt hat, was meinen Sie?«
»Keine Ahnung.«
»Eben.«
Eine Weile fuhren wir schweigend, dann sagte er plötzlich: »Versteh nicht, wie Sie das aushalten, so ganz allein da draußen. Waren Sie nie verheiratet oder so?«
»Doch, schon, früher mal.«
»Tut mir leid, alter Knabe, wollte nicht neugierig sein.«
»Ist völlig in Ordnung.«
»Ist aber nicht gestorben oder so, wenn ich das fragen darf.«
»Nein, überhaupt nichts in der Richtung. Nur das Übliche, in einem Augenblick noch da, im nächsten weg.«
»Wie Blätter, die sich vom Baum lösen, einige bläst der Wind davon, andere fallen einfach ab. Und da steht er, nackt vor einem Winterhimmel. Kahl. Hab das irgendwo gelesen. Ziemlich gut formuliert, meinen Sie nicht auch?«
»Sehr gut.«
Wir betraten den Pub, in dem ich noch nie gewesen war, und ich bestellte für ihn einen doppelten Gin
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