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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Whisky-Flasche. So dauerte es eine Weile, bis ich ihn den Gartenpfad wieder hinunterbugsieren konnte, und dann kam er zurückgelaufen und rief, die Hände wie einen Trichter vor dem Mund: »Hab ein gelbes Bällchen in der einen Hand und ein gelbes Bällchen in der anderen? Was habe ich? Kennen Sie den schon?« Ich schüttelte den Kopf. »Die ungeteilte Aufmerksamkeit eines Chinesen.«
    Ich lächelte, wie man es eben tut, beeilte mich aber dann, ihn an Nanny Phipps’ Koffer zu erinnern. Er stellte meine Toleranz auf eine harte Probe, reizte sie aus bis zu der Grenze, wo der Abscheu beginnt. Nein (dies eine spätere Ergänzung), nichts so Tiefgründiges oder Moralisches. Er wollte nur etwas Dampf ablassen, eine alternde Lokomotive auf dem Abstellgleis. Auf halbem Weg zum Gartentor deutete er, noch immer prustend, zum Haus des Colonels, dessen Dach über den laubschweren Bäumen gerade noch zu erkennen war.
    »Falls es Befriedigung ist, die Sie suchen ... Wie’s so schön heißt: Das Alter soll sie nicht müde machen, noch die Jahre sie verdammen ...« Er spannte den Bizeps an und hob die Faust. »Was denken Sie, Ripple?«
    Ich starrte ins Leere und sagte nichts. Ich habe nur wenig Ahnung von Gedichten, aber diese Zeilen kannte ich und hatte sie
immer für sehr schön, aber für unwahr gehalten, denn wie viele von uns denken wirklich so oft an diejenigen, die ihr Leben für uns hingegeben haben?
    »Du entsetzlicher, kleiner Scheißer«, sagte ich, aber nicht laut. Vielleicht bin ich toleranter, als ich glauben möchte.
     
    Nach unserem ersten Treffen ließen Maureen und ich Zeit vergehen. Dann schrieben wir beide am selben Tag, so daß unsere Briefe sich kreuzten. Sie klangen sehr ähnlich.
    Der meine lautete: »Liebe Maureen, das Treffen mit Ihnen hat mir sehr gefallen. Vielen Dank, daß Sie mir Albert Bonino nahegebracht haben. Falls Sie es nicht bemerkt haben, Musik ist nicht gerade meine Stärke. Vielleicht sollte ich, wie der amerikanische Seemann sagte, an einem schönen Tag mal kommen und Sie singen hören. Hatten wir nicht Glück mit dem Wetter? Was ich über heute ganz und gar nicht sagen kann: horizontaler Regen. Aber genug davon. Bitte sagen Sie mir, ob Sie mich wiedersehen wollen. Viele Grüße, Tom Ripple.«
    Der ihre lautete: »Lieber Tom, es hat mich sehr gefreut, Sie zu treffen, und ich hoffe, das Konzert hat Sie nicht zu sehr gelangweilt. Ich habe natürlich gemerkt, daß das nicht gerade Ihr >Ding< war. Mich heitert Musik immer auf, vor allem Gesang. Heute ist kein besonders schöner Tag, vor allem, was das Wetter angeht. Ist es vielleicht in Suffolk noch schlimmer? Falls Sie mal wieder in London sind und Zeit übrig haben, könnten wir uns vielleicht wiedersehen. Alles Liebe, Maureen Hurton.«
     
    Ungefähr eine Woche später rief ich sie an, und wir machten ein zweites Treffen aus. Nach einem Besuch in der Westminster Abbey fuhren wir mit dem Flußboot nach Greenwich. All diese Zurschaustellung von Ruhm und Geschichte, man fühlte sich fast, als würde man angelogen, aber zuviel Patriotismus ist eben so. Das Boot wartete abfahrtsbereit am Landungssteg, als hätten wir das Ganze im voraus geplant. Aber es war überhaupt nicht so. Sie hatte die Abbey vorgeschlagen, ein offensichtlicher Treffpunkt für ein Rendezvous. Dann schlenderten wir umher, und da war
plötzlich das Boot. So ist das Leben, voller Zufälle, nicht wie ein Buch, und auf keinen Fall wie ein Krimi. Doch was auch passieren mag, es sind immer noch wir, die es erleben, die auf unsere ganz eigene Art etwas oder nichts daraus machen. Auch wir jedoch sind nur Zufälle, eine Vielzahl von Mißgeburten, selbst wenn wir uns nicht so empfinden. Wir empfinden uns als etwas Besonderes, als Wählende, wenn nicht gerade als Erwählte, obwohl es natürlich auch stimmen muß, daß wir alle bei Autounfällen umgekommen sind oder bei etwas anderem, das noch nicht passiert ist.
    Vom Wasser her wehte ein kalter Wind, und wir waren nicht dafür angezogen, also sahen wir das meiste von dem, was wir sahen, durch unsauberes Glas. Unter Deck zu sein machte sie nervös, denn sie zappelte unaufhörlich herum, und einmal griff sie so ungeschickt nach ihrer Kaffeetasse, daß sie sie vom Tisch stieß. Außerdem schaute sie sich dauernd um, als hätte sie Angst, erkannt zu werden. Bald gingen uns auch die Gesprächsthemen aus, und ich saß mit den Händen in den Hosentaschen da und kommentierte die vorbeiziehenden Sehenswürdigkeiten mit jener Begeisterung, die

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