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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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einen anderen Tag verschoben. Hand in Hand schlenderten wir noch einmal um die Gypsy Moth und die Cutty Sark herum. Es war einer dieser Tage geworden, an denen die Sonne hell scheint und dann plötzlich ein Regenschauer kommt, ein Tag für Regenbogen. Und das Blau und das Grau erinnerten mich wieder an meine Kindheit: In einem Augenblick ließ mein Vater mich das Geld zählen und/oder den Käse schneiden, wobei seine Hand warm auf meinem Rücken ruhte, und im nächsten schimpfte meine Mutter mich wegen der Hausaufgaben — ein Sonntagnachmittag, ruiniert von der Angst vor dem Montagmorgen. Dies unterbrach meine Gedanken über
Schiffe auf hoher See, an Männer, die vor dem Mast stehen und sich verzweifelt ans Leben klammern, die kühn und von den Elementen gehärtet durch dieses Leben gehen. Schließlich, um ein weiteres Schweigen zu beenden, strich ich mit der Hand über einen Schandeckel und sagte: »Man muß den Hut vor ihnen ziehen, dieser Wagemut, die schiere — wie sagt man da — Zähigkeit?«
    »Seelenstärke«, ergänzte sie. »Das ist das richtige Wort. Die bewundere ich am meisten an diesen Männern.«
    »Absolut, vor allem, wenn einem bereits die einsamen Sechziger um die Nase wehen ...«
    Sie legte mir die Hand auf den Arm, doch diesmal wollte sie mir damit eindeutig mitteilen, ich solle mich nicht so bemühen. Womit sie gar nicht so unrecht hatte.
    Die Rückfahrt verbrachten wir wieder unter Deck, denn inzwischen regnete es in Strömen. Maureen saß aufrecht da, die Hände im Schoß, die Tasse Kaffee unberührt vor sich. Dann lehnte sie sich seitlich an die Wand und schloß die Augen. Kleine Tropfen glitzerten in ihren Haaren, und ihre Zungenspitze lugte zwischen den Zähnen hervor. Gegen Ende der Fahrt nahm sie den Blick von der verschwommenen Uferlandschaft aus Lagerhäusern und Wohnblocks und Büros und Palästen und suchte meine Augen, denn ich schaute überallhin, nur nicht sie an. Dann berührte sie die Libelle und nickte. Ich zeigte ihr den hochgereckten Daumen. Die Berechnungen fielen in sich zusammen, und plötzlich spürte ich einen warmen Schmerz zwischen Magen und Kehle, der mich nicht zu meinen Rennies greifen ließ. Das Schlingern des Boots machte die Sache nicht besser, und ich ging an Deck, um frische Luft zu schnappen. Als ich zurückkam, waren ihre Augen geschlossen, und eine Fingerspitze ruhte auf der Libelle, als wollte sie verhindern, daß sie davonflog.
    Wir trennten uns an der Bushaltestelle am Parliament Square. Sie mußte zu einer Chorprobe. Sie studierten gerade Haydns Schöpfung mit einem wunderbaren, neuen Dirigenten ein, den Rattle der Zukunft, nannte sie ihn, was mich, wie ich gestehen muß, zu der Zeit verblüffte.
    Als der Bus um die Ecke bog, sagte sie: »Tut mir leid, daß ich
heute so schlechter Laune war. Es sind mal wieder diese Kopfschmerzen.«
    »Ach, das waren Sie doch gar nicht. Kein bißchen. Ich hoffe nur, es lag nicht an mir.«
    »Wäre schön, wenn wir in Verbindung bleiben könnten«, sagte sie.
    Es gab nicht einmal den Versuch eines Abschiedskusses. Sie stieg in den Bus und drehte sich dann, um vom Perron zu winken. Ein großer, kahlköpfiger Mann, der von oben kam und unbedingt noch aussteigen wollte, fluchte, als ihr erhobener Arm ihn am Kinn traf. Mein Winken endete in einer langen Nase, die ich dem Mann in Eile hinterherschickte. Dann warf ich ihr eine Kußhand zu, was sie jedoch nicht sah, weil sie mit dem Schaffner beschäftigt war. Das letzte, was ich von ihr sah, waren ihr Hintern, dann ihre Beine, dann ihre Knöchel, als sie die Treppe hinaufstieg. Und das stelle ich mir jetzt immer wieder vor, als wäre das alles ganz frisch und jung, und ich wüßte nicht, wie es enden wird, wie ein abgebrochener Zweig meiner Clematis, und auch nicht, wie sehr ich es verändern werde, wenn ich mich im Lauf der Jahre verändere oder es zumindest hoffe.

KAPITEL FÜNF
    A m folgenden Tag ging ich wieder in die Kirche, aber die Erinnerung daran ist schwach. Ich schlich mich hinein, als der Gottesdienst bereits angefangen hatte, und ging wieder, als die anderen sich für die Kommunion anstellten. Ich fühlte mich verloren und verwirrt, kurz, ich kam mir blöd vor, aber ich sang dennoch aus voller Kehle und dachte dabei an Maureen: »Laß mich an deine Brust mich flüchten, Wenn Wogen wallen in der Nähe ... Laß reich mich haben Teil an dir, Erblüh in meinem Herzen, Steig auf in alle Ewigkeit.« Und dachte auch an meinen Vater und meine ehemalige Frau, die sich

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