Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
schlechtes Englisch. Muß jetzt weiter, wenn das alles ist?«
»Ja, das ist alles, vielen Dank.«
»Kommen Sie doch mal auf ein Schwätzchen vorbei.« Er legte mir eine Hand auf die Schulter, als hätte er endlich beschlossen,
mich doch zu mögen. Aber sein Gesicht war so leblos wie immer, und wieder verwirrte es mich, daß er soviel redete.
Später an diesem Nachmittag traf ich Michelle auf der Treppe.
»Hallo!« rief sie fröhlich — die Dinge liefen gut für sie, wie ich annahm, was mich daran erinnerte, daß es für Annelise wahrscheinlich nicht so gut lief. »Haben Sie das von dem polnischen Herrn gehört?« Ich nickte. »Sie haben ihn ja ziemlich gut gekannt, nicht? Er war irgendwie so würdevoll.«
»So gut nicht, nein.«
»Er war immer so nett zu uns, hat Sachen repariert und wollte nie Geld dafür annehmen. Er hat immer so einsam ausgesehen, irgendwie so verletzt.«
»Ich weiß.«
»Das liegt an ihrem Land, nicht? Einer unserer Tänzer ist Pole.«
Ich schüttelte den Kopf und ließ dann eine kurze Pause folgen. »Und euch beiden geht es gut, oder?«
»Achten Sie nur nicht groß auf Annelise. Sie hat eben ihre Höhen und Tiefen.«
»Das Problem dabei ist, sie mit dem in Einklang zu bringen, was die anderen so treiben.«
Das brachte sie nun wirklich zum Lächeln, wie ich mit Stolz verkünden kann, nicht sehr, aber es reichte. Ich hatte sie noch nie lächeln gesehen, hätte es auch nie erwartet. Es rückte ihren Mund in den Mittelpunkt, der eigentlich klein war, aber im Lächeln zog sie die Lippen in die Breite und schob die untere ein wenig vor. Der ganze Mund glitzerte feucht, und das zusammen mit den Lachfältchen in den Augenwinkeln war etwas, das irgendein anderer Glückspilz nicht als Signal verstehen mußte, sich zu verpissen, sondern ganz im Gegenteil, mit nämlichem Werkzeug möglichst bald, wenn nicht sofort ... ach, vergessen Sie es. Sie war also auch nur ein Mensch. Dazu hatte es im Haus erst einen Todesfall geben müssen ... »Machen Sie sich wegen ihr keine Sorgen, ehrlich«, sagte sie, und das Lächeln wurde plötzlich ersetzt durch ein völlig unnötiges Stirnrunzeln.
»Ich werde es versuchen.«
Ich machte ihr übertrieben Platz und sah dann zu, wie sie die Treppe hinunterstieg oder ein paar Zentimeter über ihr schwebte. Sie war wirklich ein Star. Sie sah auch absolut phantastisch aus, weil ich gerade beim Thema war.
Drei Tage verbrachte ich bei Virginia. Ihr Mann hatte, wie bereits erwähnt, seinen Job bei den landwirtschaftlichen Maschinen verloren und arbeitete jetzt im Bereich Bürobedarf, was bedeutete, daß er einen Firmenwagen hatte und ziemlich viel unterwegs war. Es war zwar nicht gerade ein Aufstieg, aber er überzeugte mich beinahe, daß der Job auch seine Perspektiven habe.
»Aufstiegsorientiert im Sesselfurzergewerbe«, sagte ich anerkennend. »Klingt irgendwie ziemlich passend.«
»Das war nicht sehr witzig«, sagte Virginia, um ihren Mann zu verteidigen und mich zu tadeln. Na gut, und deshalb fügte ich hinzu: »Warum dann nicht das Transportgewerbe, da kommt man überall hin.«
Er machte ein verlängertes Würgegeräusch, von dem er wohl dachte, so müsse sich ein Lachen anhören, und Virginia schaute mich wütend an. Sie hatte nicht begriffen, daß er mir einfach nur zu ernst war, wo er doch alles hatte, eine solche Frau, ein solches Kind, einen Job mit einem Auto. Aber es waren nicht meine Hänseleien, die ihr etwas ausmachten, trotz all seiner Selbstzweifel. Nein, sie glaubte, ich wollte zeigen, wie wenig Humor er hatte.
Er redete weiter davon, wie neu die Firma sei und daß es nur aufwärtsgehen könne (hier hielt ich mich sehr zurück). Er tat es natürlich vorwiegend für Virginia. Wobei ihr das ziemlich scheißegal war, jetzt mit ihrem neuen Baby, das an ihr saugte, sobald es Hunger hatte, die Augen selig geschlossen, ein Beispiel, dem ich gern gefolgt wäre, wenn mir kein Grund einfiel, mitten bei der Suppe das Zimmer zu verlassen. Auch ihr Mann wußte nicht, wo er hinschauen sollte, der schmierige, heuchlerische Lüstling, wenn auch jetzt nicht mehr der einzige Perversling hier, da dieser lesbische Inzest direkt vor unseren Augen stattfand. Warum konnten die Leute meine Tochter nicht in Frieden lassen? Sie war auch
sehr liebevoll mir gegenüber, und einige Male lachten wir herzhaft miteinander. Mit ihrer postnatal weiten Kleidung und ihrem leichten Hinken und nicht dem geringsten Versuch, sich attraktiv zu machen, bis auf ein flüchtiges
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