Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
diesem Augenblick kehrte Virginia zurück. »Na wunderbar«, sagte sie unangemessenerweise.
»Wir haben uns eben unterhalten ...«, begann er.
Ich wollte von diesem ganzen Unsinn nichts mehr hören.
»... über die Zukunft«, ergänzte ich. »Worauf sonst soll man sich denn freuen?« Und damit verschwand ich in der Küche. Aus dem Wohnzimmer drang sehr ernsthaftes Flüstern, und ich dachte mir, vielleicht bilden sie einen Ausschuß und bitten mich, den Schatzmeister zu machen. Aber natürlich hatten sie, realistisch betrachtet, nichts, worüber sie sich wirklich hätten Sorgen machen müssen.
So ging es weiter. Es waren glückliche Tage. Ich begriff, warum Virginia mehr Kinder haben wollte, wenn das eine solche Wirkung auf sie hatte. Ihr Verständnis des Mutterseins war ganz anders als das ihrer Mutter. Sie war weder selbstsicher noch bestens informiert und schlug nie etwas in einem Buch nach. Sie wollte alles selber herausfinden. Sie hatte das Baby nicht zu Hause oder in der Badewanne bekommen, und ihr Mann war bei der Geburt nicht dabeigewesen. »Er hatte große Angst davor, daß ich ihn bitte«, erzählte sie mir. »Das hätte ich nicht auch noch ertragen, daß er versucht, nicht zimperlich zu sein, und nicht weiß, was er Mutter sagen soll.«
Über die ich nun fragte, ob sie alles in allem nicht ein wenig zu hilfsbereit gewesen sei?
»Ach nein, Dad«, sagte sie. »Sie hat sich geändert. Sie hat sich überhaupt nicht eingemischt. Eigentlich war sie großartig, hat sich im Hintergrund um Dinge gekümmert, aber da ist ... Sie macht sich große Sorgen um Brad, der sehr krank ist und ganz
und gar nicht damit zurechtkommt. Er ist verbittert und unvernünftig, und sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Sie haben sich ja immer sehr geliebt, und sie ist einfach sehr traurig. Sie hat ziemlich viel darüber gesprochen.«
»O Mann, wie rücksichtslos, wo sie doch sonst ...«
Sie kam zu mir und küßte mich auf die Schläfe. »Sie weiß, daß sie mit all ihren linken Ideen und der Rechthaberei und so weiter, daß sie da manchmal arrogant und humorlos und dogmatisch war, und dann hat sie dich auch noch einfach so verlassen.«
»Über das Fernsehen ist sie schon ein bißchen arg hergezogen, das muß ich sagen, aber rückblickend erkenne ich auch, wie recht sie hatte, daß sie die Welt verbessern und menschenfreundlicher machen und auch verstehen wollte, warum sie nicht so ist. Vielleicht war es einfach so, daß die Worte nicht so ganz die richtigen waren, der Ton der Stimme, nicht der ihren, meine ich, es war das Vokabular, und dann muß sie natürlich tatsächlich viel getan haben, um anderen zu helfen und ein Beispiel zu sein und so weiter. Während ich ... Aber wir hatten auch schöne Zeiten, nicht?«
»O ja. Viele. Sie wollte, daß Adrian und ich glücklich sind, das ist alles, nicht nur rücksichtsvoll und erfolgreich und gut. Was für Kinder schon langweilig sein kann, und du hast da meistens auch nur irgendwas gestammelt.«
»Danke.«
»Na ja, du hast schon ziemlich oft um den heißen Brei herumgeredet, wir wußten eigentlich nie, was du wirklich denkst.«
»Ich ebenfalls nicht. Und ich weiß es übrigens noch immer nicht.«
»Es war furchtbar für uns, als ihr euch getrennt hattet und wir uns dann mit dir trafen, und es war so peinlich, und wir wußten nicht, was wir reden sollten, und Mum und Brad gingen so anständig damit um, und dann der Unfall. Adrian und ich haben aber nie darüber gesprochen, über diese ganze Sache, da war einfach nur so eine Traurigkeit in der Luft, und dann hatten wir auch noch andere Sachen im Kopf, wir waren ja in der Pubertät, und dann war da ja auch noch seine ...«
»Dann hast du es also gewußt?« Sie nickte. »Alles?«
»O ja. Webb und das alles, und er hatte ja auch nie irgendwelche Freundinnen. Er schämte sich deswegen, und er litt auch darunter, als es ihm bewußt wurde, was schon ziemlich früh passierte. Ich weiß noch gut, daß ich mich oft fragte, ob er je über irgend etwas gelacht hat.«
»War Mum ihm eigentlich eine Hilfe oder Brad oder wie er heißt, der Teufelsfahrer?«
»Ja und nein. Sie schickten ihn zu Beratungsstellen, und Brad präsentierte ihm dauernd Beispiele für berühmte Homosexuelle, die Griechen und Schriftsteller und Schauspieler und so weiter, aber das schien alles nur noch schlimmer zu machen, da er ja gar nicht berühmt oder wie irgendeiner dieser Männer sein wollte.«
»Beratungsstellen. Wie fürchterlich.«
»Inzwischen
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